CDU-Parteitag in Stuttgart Wie Merz Kritik in Lob verpackt

Stuttgart (RP). Eloquent. Dynamisch. Die Stufen zum Pult im Sprung nehmend. So taucht beim CDU-Parteitag einer aus der Versenkung der Basis wieder auf, den sich viele wehmütig mit mehr Einfluss und Verantwortung in die Führung der Union zurück wünschen: Friedrich Merz. Der von Angela Merkel beiseite geschobene Ex-Fraktionschef: nutzt er Stuttgart, um vor dem selbst erklärten Abtritt von der politischen Bühne noch eine letzte große Attacke gegen die ungeliebte Kanzlerin zu reiten?

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Nein, Merz hat sich eine raffiniertere Volte ausgedacht. Er tritt gewissermaßen als Ihrer Majestät loyaler innerparteilicher Oppositionschef in Erscheinung. "Liebe Angela Mer kel" sagt er. Und dass er "die Einschätzung der Bundeskanzlerin teile". Dann jedoch bringt er zunächst zwei weitere von Merkel verdrängte CDU-Vorsitzende in Erinnerung. Er dankt ausdrücklich Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble, die "so standhaft" gewesen seien, gegen große Widerstände den Euro einzuführen. Man stelle sich nur die heutige Finanzkrise ohne den Euro vor. "Maximale Währungsspekulationen" wären dann auch gegen die deutsche Volkswirtschaft am Werk, betont Merz.

Der Saal klatscht. Merkel auch.

Als nächstes unterstützt er Merkels 500-Milliarden-Rettungsschirm. Merz macht klar, warum er die Politik der Kanzlerin uneingeschränkt unterstützt. Den Verzicht jeder einzelnen Branche wäre zwar schmerzhaft, jedoch könne die Volkswirtschaft als ganzes jeweils sogar ohne Autoindustrie, ohne Maschinenbau, ohne Chemische Industrie und weitere Branchen überleben. Nicht jedoch ohne ein Bankensystem. Deshalb kommt von ihm eine erste, eher versteckte Kritik: Die Kreditklemme müsse nicht erst für das nächste Jahr befürchtet werde n. "Sie ist jetzt schon da". Und deshalb müsse möglicherweise der Gesetzgeber baldmöglichst nachsteuern und mehr Banken unter den Rettungsschirm bringen. Merz: "Ich glaube nicht, dass wir es so lassen können, wie es ist."

Der Saal klatscht. Merkel auch.

Die heftigste Kritik kleidet Merz gewieft in das Gewand einer noch größeren Merkel-Unterstützung. Er kommt auf den zuletzt in der CDU heftig tobenden Steuerstreit zu sprechen und schlägt sich scheinbar auf die Seite Merkels, die das Thema auf die Zeit nach den Wahlen verschieben will: "Für Steuergeschenke und kurzfristige umfassende Steuersenkungen stehen die Spielräume nicht zur Verfügung", stellt er apodiktisch fest. Damit ist offenbar allen Merz-Freunden der Boden entzogen, die Steuersenkungen bereits vor den Wahlen fordern. Doch Merz setzt hinter diese Feststellung ein dickes "Aber". Natürlich müsse sich die CDU jetzt schon damit beschäftigen, wie denn diese versprochenen Steuersenkungen aussehen sollten. Er verweist als Antwort auf die Beschlüsse des Leipziger Reformpa rteitages von 2003.

Der Saal klatscht. Merkel nicht.

"Damals haben wir beschlossen: raus aus der ,kalten Progression'", erinnert Merz. Diesen Teil der Antwort müsse die CDU schon jetzt "für 2009" und die folgenden Jahre geben. Zwar enthält auch Merkels Leitantrag das Versprechen, die "kalte Progression", die vor allem die Mittelschicht überproportional belastet, zurückzufahren. Aber es gibt dazu im Vorstandspapier kein Datum. Merz setzt ein solches: "Anfang 2009" wäre doch ein guter Zeitpunkt, hier als Gesetzgeber ein Zeichen zu setzen.

Nicht für Steuersenkungen, betont Merz. Sondern beschränkt auf diejenigen, die sich 2008 und 2009 über höhere Löhne und Einkommen freuen dürften. Nur bei diesen Erhöhung solle der Staat nicht überproportional erneut zugreifen. Merz geißelt den Fiskus an dieser Stelle als "Trittbrettfahrer" und stellt dem das von ihm vorgeschlagene "Signal" entgegen. Seine Losung: "Das große Paket nach der Wahl, aber jetzt einen ersten Schritt machen, damit die Leute wieder glauben, dass es die Union ernst meint."

Die Steuerexperten der CDU runzeln zwar die Stirn, können sich kaum vorstellen, wie ein solches Gesetz ausformuliert sein könnte. Vor allem, wie man es denn in so kurzer Zeit hinbekommen könnte. Aber Merz hat seinen Punkt gemacht. Und als er in den Beifall hinein auch noch anmahnt, die CDU müsse auch personell ihre Fähigkeiten klar machen und vor allem "die finanzpolitische Kompetenz nicht allein den Sozialdemokraten überlassen", da will der Applaus gar nicht mehr enden. Auch Merkel klatscht. Nur kurz. Dann nippt sie an ihrer Kaffeetasse. Merz kehrt in den Kreis der Sauerland-Delegierten zurück. Sie umringen ihn, gratulieren ihm, blicken hinauf auf die Bühne. Auch Merkel klatscht nun wieder mit. Merz strahlt. Und Merkel schmunzelt.

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