Analyse Wie rechts ist die AfD?

Berlin · In Deutschland steckt die rechtspopulistische AfD noch in den Kinderschuhen. Ein Vergleich der AfD mit dem französischen Front National, der niederländischen PVV und Österreichs FPÖ.

Wie rechts ist die AfD?
Foto: Ferl

Während es in Frankreich, den Niederlanden und Österreich seit Jahren rechtspopulistische Parteien gibt, ist dieses Phänomen in Deutschland erst sehr spät mit der Euro-Krise und dann prominent mit der Flüchtlingskrise entstanden. Aktuell schwimmt die Alternative für Deutschland (AfD) auf einer Welle des Erfolgs. Die Partei wird oft im gleichen Atemzug genannt mit der niederländischen populistischen "Freiheitspartei" PVV von Geert Wilders, dem rechtsextremistischen Front National (FN) aus Frankreich und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ).

Feste Größe

In Frankreich ist der Front National eine Volkspartei. Bei den Regionalwahlen 2015 entschied sich im ersten Wahlgang ein Drittel der Wähler für den FN. Parteichefin Marine Le Pen könnte gar die nächste Staatspräsidentin werden. In den Niederlanden führt die PVV die Umfragen an, auch Wilders könnte Regierungschef werden. In Österreich begeistert die FPÖ konstant ein Viertel der Wähler. Auch die AfD ist auf gutem Wege, sich mit zweistelligen Wahlergebnissen als feste Größe im deutschen Parteiengefüge zu etablieren.

Anders als bei den Nachbarn konnte die AfD erst in der Flüchtlingskrise Erfolge feiern. Als Anti-Euro-Partei nahm sie dagegen kaum die Fünf-Prozent-Hürde. Die Ablehnung hoher Zuwandererzahlen eint alle rechtspopulistischen Parteien in Europa und macht nun auch die AfD stärker. Doch anders als FN und PVV fehlt der AfD eine bereits fest etablierte und anerkannte Führungsfigur: Parteichefin Frauke Petry muss sich erheblicher innerparteilicher Kritik erwehren. Zudem führt sie die Partei zusammen mit Jörg Meuthen.

Innerparteiliche Konflikte

Auch könnte die AfD auf der Suche nach ihrer ganz eigenen Identität noch an innerparteilichen Konflikten zerbrechen. Ein so aggressiv islamfeindlicher Kurs, wie ihn etwa Wilders in Holland oder Le Pen in Frankreich präsentieren, dürfte der AfD kaum vergleichbar hohe Wahlerfolge bescheren. Die AfD wird einen gemäßigteren Kurs fahren müssen. "Sie haben noch einige Vorbehalte, mit uns in Verbindung gebracht zu werden, weil sie die Verteufelung fürchten", sagte ein Vertrauter Le Pens der "Huffington Post". "Aber wir beobachten uns mit gegenseitigem Wohlwollen."

Wilders etwa propagiert den EU-Austritt der Niederlande. "Die AfD plädiert nicht für einen Austritt Deutschlands aus der EU, sondern für Reformen", sagt Axel Hagedorn, Professor für deutsch-niederländische Rechtsbeziehungen an der Universität Amsterdam.

Selbstfindung

"Die AfD ist noch eine sehr junge Formation", sagt der Potsdamer Politikwissenschaftler Gideon Botsch. "Sie ist derzeit noch damit beschäftigt, sich zu finden." Dabei lasse sie sich von den rechtspopulistischen Parteien in den Nachbarländern inspirieren. "Die wichtigste Übereinstimmung dieser Parteien ist das Kanalisieren einer Proteststimmung gegen das politische Establishment", sagt Hagedorn über PVV und AfD. "Sie ähneln sich, weil sie keine Lösungsansätze bieten, sondern vor allem gegen Entwicklungen sind."

Die PVV wurde 2005 von Geert Wilders gegründet. Heute verfügt sie über 15 der 150 Sitze im Parlament. Nach aktuellen Umfragen würde die PVV inzwischen sogar auf 33 Sitze kommen und wäre damit die größte Partei von 16 Fraktionen, die derzeit im Parlament sitzen.

Warnungen vor dem IS

Wilders selbst sieht seinen anhaltenden Erfolg darin, dass er seit Jahren vor dem Aufstieg des IS und einer Islamisierung der westlichen Gesellschaften gewarnt habe und seine Vorhersagen nun eingetroffen seien. So jedenfalls erklärte er es im Februar in einem seiner sehr seltenen Interviews mit dem öffentlich-rechtlichen niederländischen Nachrichtensender NOS. Die PVV hat sich auf die Fahne geschrieben, die aus ihrer Sicht islamisierten Niederlande zu de-islamisieren. Dies ist aus Sicht Hagedorns für die AfD kein zentrales Thema.

Ein großer Unterschied zwischen AfD und PVV ist die Organisationsstruktur der Parteien. Die AfD, FN und FPÖ gelten als demokratisch organisiert. Wilders hingegen ist das einzige Mitglied seiner PVV. Das wäre nach deutschem Parteienrecht nicht möglich. Ein Führerprinzip in einer politischen Partei würde in Deutschland nicht erlaubt - auch nicht bei Rechtspopulisten. Wilders ist auch Partei- und Fraktionsvorsitzender. Als Parteiführer stellt er sein Parteiprogramm allein zusammen. Offenen Diskussionen entzieht er sich seit Jahren - im Gegensatz zu den AfD-Führungsfiguren, die kaum eher häufiger im Fernsehen zu sehen sind.

Charismatische Gestalten

Diese autoritäre Struktur gilt auch als ein Grund für den Erfolg der PVV, weil politische Meinungsunterschiede, die es natürlich auch bei Wilders Anhängern und in seiner Fraktion gibt, nie öffentlich ausgetragen werden. Mit Wilders rechnet nur ab, wer seine Fraktion bereits verlassen hat. "Geert Wilders und Marine Le Pen sind beide charismatische Gestalten, von deren Auftreten viele Erfolge ihrer Partei abhängen", sagt Gideon Botsch. Die AfD aber werde sich nur schwerlich von einer charismatischen Parteiführung steuern lassen. "Im Augenblick ist die Frage, ob Frauke Petry sich mittelfristig in der Führung der AfD halten kann." Sie werde diese Funktion nach seinem Eindruck eher nicht ausfüllen können.

Die Zukunft der AfD wird sich aus Sicht Hagedorns dann entscheiden, wenn nicht mehr nur über die Flüchtlingskrise gesprochen wird. Ende April muss die Partei ihr Grundsatzprogramm beschließen und Politikangebote jenseits von der Forderung nach geschlossenen Grenzen machen. "Es hat schon früher Parteien gegeben, die sich im parlamentarischen Alltag verschlissen haben", sagt Hagedorn.

(RP)
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