Großbritannien veröffentlicht brisante Dokumente Wie Thatcher die deutsche Einheit torpedierte

London (RP). Das britische Außenministerium hat vertrauliche Regierungsdokumente aus den Tagen kurz vor dem Mauerfall veröffentlicht. Rund 500 Briefe und Protokolle dokumentieren, wie die britische Regierungschefin Maragret Thatcher und ihr französischer Amtskollege Francois Mitterand wirklich über die deutsche Einheit dachten.

Bilder von Gorbatschow: witzig, charmant, klug
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Die Archivdokumente des britischen Außenministeriums verraten nichts über die Speisekarte und den Verlauf des Mittagessens im Pariser Elysée-Palast am 20. Januar 1990. Doch man muss annehmen, dass Präsident François Mitterrand mit der Warnung an die britische Premierministerin Margaret Thatcher nicht bis zum Dessert warten wollte.

Die Aussicht auf eine Wiedervereinigung lasse die Nachbarn wieder zu "schlechten Deutschen" mutieren, beklagte bitter der Franzose, der kurz darauf die Prophezeiung wagte, Deutschland, das sich bereits den anderen Europäern gegenüber "brutal" verhalte, würde "mächtiger werden als zu Hitlers Zeiten". Thatcher widersprach dem nicht.

Früher als üblich an die Öffentlichkeit

Fast 20 Jahre nach dem Mauerfall veröffentlichte Großbritannien am Freitag vertrauliche Regierungsdokumente aus den Jahren 1989 und 1990, die die tiefe Skepsis in Paris und London gegenüber Deutschland belegen. Aus den 500 freigegebenen Briefen und Protokollen geht hervor, dass Thatchers Bemühungen, die deutsche Einheit auszubremsen, heimlich von frustrierten Ministern torpediert wurden, die die Zukunft viel optimistischer sahen als die Regierungschefin.

Mit der ungewöhnlich frühen Freigabe — normalerweise werden geheime Dokumente nach 30 Jahren veröffentlicht — wollen die Briten die weit verbreitete Ansicht korrigieren, dass London die deutsche Einheit gänzlich vereiteln wollte. "Es war einzig Thatchers Haltung, die den Diplomaten nicht erlaubte, den Deutschen gegenüber freundlicher zu sein", kommentiert die Publikation ein eingeweihter Historiker.

Sie beschwor Gorbatschow

Anders als Thatcher wollte Mitterrand seine Vorbehalte nicht öffentlich äußern. In privaten Gesprächen mit Thatcher ließ Frankreichs Präsident jedoch Frust ab. Laut den Dokumenten klagte Mitterrand bei dem Mittagessen im Elysée-Palast im Januar 1990, Europa sei "nicht bereit" für den Zusammenschluss der deutschen Staaten, fügte dann aber doch hinzu: "Es wäre idiotisch, den Deutschen deswegen Nein zu sagen."

Wie die britische Times in ihrer Online-Ausgabe ermöglichen andere Dokumente einen Einblick in eine ungewöhnlich offene Unterhaltung zwischen Thatcher und dem Staatschef der damaligen Sowjetunion, Michail Gorbatschow, 1989 in Moskau. "Wir wollen kein vereintes Deutschland" wird dort Thatcher mit einem Bekenntnis zitiert, das im krassen Widerspruch zu den offiziellen Bekundungen der Staatenwelt aus dem Jahr 1989 steht. Ihre Begründung: Dies würde eine fundamentalen Umbruch der Nachkriegsordnung herbeiführen. "Wir können das nicht zulassen, weil eine solche Entwicklung die Stabilität der gesamten internationalen Ordnung und unsere Sicherheit gefährden würde", warnte Thatcher Gorbatschow.

Thatcher beschwor Gorbatschow regelrecht. Die Destabilisierung von Osteuropa und der Zusammenbruch des Warschauer Paktes seien nicht im Interesse des Westens. Thatcher räumte gegenüber Gorbatschow offen ein, dass die offiziellen Verlautbarungen und Nato-Kommuniqués eine gegenteilige Sprache beinhalteten, sagte dem Glasnost-Verfechter jedoch, er solle diese nicht weiter beachten.

(RP/RPO)
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