Julia Klöckner Winzertochter als Merkel-Nachfolgerin?

Mainz · Die 42-jährige CDU-Chefin von Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, will im März Ministerpräsidentin werden: Sie ist rastlos, kontrolliert, bürgerlich, ledig.

 Daheim in den elterlichen Weinbergen an der Nahe. 1995/96 war Julia Klöckner Deutsche Weinkönigin. Nach der Landtagswahl am 13. März 2016 will sie „Königin von Rheinland-Pfalz“, sprich: Ministerpräsidentin werden.

Daheim in den elterlichen Weinbergen an der Nahe. 1995/96 war Julia Klöckner Deutsche Weinkönigin. Nach der Landtagswahl am 13. März 2016 will sie „Königin von Rheinland-Pfalz“, sprich: Ministerpräsidentin werden.

Foto: Alexander Hoffmann

An der Fassade des großzügig angelegten Winzerhofes im beschaulichen Nahe-Weinort Guldental steht geschrieben: "Weingut Aloys Klöckner". Und darunter: "Haus der Deutschen Weinkönigin 1995/96". Vor dem Eingang blickt Lotte dem Besucher, der hinterm wuchtigen Lindenbaum hervortritt, erwartungsvoll entgegen. Lotte ist nicht Nachfahrin besagter Weinkönigin, sondern ein West Highland Terrier. Die Weinkönigin hieß 1995/96 Julia I.

Wenn sie Erfolg hat, wird aus ihr in neun Monaten die "Königin von Rheinland-Pfalz", sprich: die erste Frau des Landes. Manche bei CDU und selbst bei der CSU prophezeien: Wenn Julia Klöckner bei der Wahl am 13. März in Rheinland-Pfalz nach einem Vierteiljahrhundert "den Sozis" die Macht entreiße, stünde sie endgültig in der ersten Reihe für die Zeit nach Merkel: eine Winzertochter als christdemokratisches Hochgewächs. Am Wein nippt sie nur, seit sie mit Ess-Disziplin und Alkohol-Abstinenz innerhalb von sechs Monaten 17 Kilo abgenommen hat. Aber die politischen Machtzuwächse in Mainz und Berlin genießt sie in vollen Zügen.

Julia Klöckners Vater Aloys (80) sagt über seine prominente Tochter, sie sei schon als Mädchen und Gymnasiastin in Bad Kreuznach fleißig, anständig und gut erzogen gewesen. Darauf die Tochter, die gerne die Kontrolle behält über alles, was über sie verbreitet wird: "Das lag am Papa." Auf dem Hof mit Rundum-Blick auf eine kultivierte, hügelige Nahe/Hunsrück-Landschaft hat Julia Klöckner Traktor- und Moped-Fahren gelernt und Ziege Susi bemuttert. Und sie hat dort bürgerlich-mittelständisch das "Anpacken" gelernt. Bruder Stephan Klöckner, der jetzige Inhaber des elterlichen Weingutes in dem 2700-Einwohner-Ort Guldental, erzählt, dass seine Schwester trotz Termin-Verpflichtungen als CDU-Fraktions- und Parteichefin in Mainz und CDU-Bundesvize in Berlin das traditionelle Juni-Hoffest im Weingut nicht versäumt habe: "Sie war an allen Tagen hier." Julia Klöckner, die schnell gute Laune verbreiten kann und sich in ein günstiges Licht zu rücken versteht, ergänzt, sie habe natürlich auch kräftig mitgeholfen beim Ausrichten des Hoffestes.

Solche Bekenntnisse sind ihr wichtig, sie sollen signalisieren: Ich bin bodenständig geblieben, auch wenn ich Merkels Handy-Nummer habe und die Kanzlerin meine hat. Es heißt, sie sei Merkels aktueller Partei-Liebling. Wir wissen, und Julia Klöckner weiß es als politischer Profi noch besser: So etwas kann sich schnell ändern. Schafft sie am 13. Mai die angepeilten 42 Prozent in Rheinland-Pfalz und findet sie einen Koalitionspartner (am liebsten FDP, zur Not die Grünen), kann sie niemand mehr ignorieren oder gar als eine PR-Begabung ohne inhaltlichen Tiefgang abtun.

Die SPD versucht, ihr das Etikett "Hübsch und oberflächlich" anzukleben. Die CDU kontert: Quatsch, die Julia sei ein Glücksfall für die lange Jahre zerstrittene Landespartei, und sie sei nach ihrer Rückkehr als Berliner Agrar-Staatssekretärin nach Mainz 2011 Jahr um Jahr landespolitisch sachkundiger und detailbesessener geworden. Eine gar nicht stille Arbeiterin im Weinberg der Union, mal Kumpel, mal Lady.

Auf die junge Frau, die in Bad Kreuznach lebt und Schlaf für überbewertet hält, trifft wohl auch zu, was laut "FAZ" ihr um 22 Jahre älterer Darmstädter Lebenspartner Helmut Ortner geschrieben hat: "Ich finde, jede Form von biografischer Eintönigkeit ist eine Versündigung an den Menschen, die man beschreibt." Die modern-konservative Katholikin und Gottesdienst-Lektorin, die Privates fast noch mehr abschirmt als Merkel das macht, nennt den linksintellektuellen Porsche-Fahrer und Freigeist mit 5 000-Bücher-Bibliothek ohne Parteibuch "Mein Liebster". Man sieht die beiden ganz selten in der Öffentlichkeit zusammen. Sie denken wohl, das sei gut so; so halten es Frau Merkel und ihr Herr Professor Sauer ja auch.

Der Medien-Unternehmensberater, Autor, Kunstfreund und frühere hessische Jugend-Radrennmeister Ortner ist der Typ Intellektueller, der gerne unter Menschen allein ist, ein Beobachter eben. Sie ist Täterin, strahlender Mittelpunkt im Raum, redegewandt, ob im Gespräch mit Ärzten im Lahnkreis, mit Unternehmern im Hunsrück-Kreis, beim Mittagessen mit 100 Frauen ("Jungs müssen draußen bleiben") in Boppard, beim Baby-Knutschen, beim Bürgergespräch in einer Taunus-Sporthalle. Dem Mainzer CDU-Recken Johannes Gerster war die junge Studentin als Kirchenpredigerin erstmals aufgefallen. Er spürte: "Die hat Zukunft." Ob er Bedenken habe, dass Klöckners Ehelosigkeit zumindest bei Konservativen auf dem Land von Nachteil sei? Fast im Gleichklang mit einer Bad Kreuznacher CDU-Lokalmatadorin meint Veteran Gerster: "Ach was, so was wie Fürstenhochzeit mit Mainzer Domchor - das ist nicht mehr wahlentscheidend."

(RP)
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