Interview mit Ministerin Johanna Wanka "Wir müssen Bildungsausgaben steigern"

Berlin · Die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka möchte die Ausgaben für Schulen und Universitäten bis 2020 weiter erhöhen. Sie fordert die rot-grün-regierten Länder auf, das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern zur Bildungsfinanzierung zu kippen.

Sie sind nur fünf Monate im Amt und bald ist nur noch Wahlkampf. Konnten Sie überhaupt Akzente setzen?

Wanka Es war eine große Herausforderung, in so kurzer Zeit Projekte umzusetzen. Drei Themen waren mir besonders wichtig: Die Verlängerung und Aufstockung des Hochschulpaktes, damit die notwendigen Studienplätze geschaffen werden können. Das ist uns nach intensiven Verhandlungen mit den Ländern gelungen. Und ich bin froh, dass wir jetzt mit 500 Millionen Euro die Ausbildung der Lehrer bundesweit verbessern können, also die Qualitätsoffensive Lehrerbildung startet. Damit verbunden, gibt es jetzt eine länderübergreifende, völlige Anerkennung von Lehramtsabschlüssen. Und wir sind beim Thema Energieforschung erheblich vorangekommen.

Alle wollen die Auflösung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern bei der Bildungsfinanzierung. Trotzdem steht es weiterhin im Gesetz. Warum tut sich nichts?

Wanka Es wird Zeit, dass wir dieses Relikt abschaffen. Ich habe mich schon als Präsidentin der Kultusministerkonferenz für mehr Bildungskooperation eingesetzt. Einen Gesetzentwurf hat die Bundesregierung bereits letztes Jahr auf den Tisch gelegt. Der wird aber noch immer im Bundesrat von Rot-Grün blockiert, obwohl die Wissenschaft darauf wartet. Ein Innovationsstandort wie Deutschland braucht natürlich eine starke Wissenschaftslandschaft, und da können die Länder und der Bund gemeinsam strategisch einfach mehr erreichen. Wir müssen uns überlegen, wie wir unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit weiter steigern wollen. Deutschland produziert vor China und den USA die meisten forschungs- und entwicklungsintensiven Produkte. Wir sind hier Weltmeister und wollen es auch bleiben. Die Grundgesetzänderung muss daher gelingen und ich setze mich weiterhin dafür ein.

Die SPD will die Ausgaben für Bildung, Ausbildung und Forschung pro Jahr um 20 Milliarden Euro steigern. Was wollen Sie?

Wanka Diese Bundesregierung hat in den vergangenen vier Jahren die Ausgaben für Bildung und Forschung zusätzlich um 13 Milliarden Euro gesteigert, da brauchen wir also keine Nachhilfe. Ich halte es für realistisch und wünschenswert, die Ausgaben für Forschung bis 2020 von erreichten drei auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern.

Um den Innovationsstandort zu erhalten, braucht Deutschland angesichts der Alterung aber auch viel mehr Fachkräfte aus dem Ausland!

Wanka Absolut. Natürlich ist es wichtig, den hier lebenden Menschen die maximalen Ausbildungschancen zu ermöglichen. Das machen wir. Wir werden aber weniger in Deutschland. Daher war es richtig, dass diese Bundesregierung mit dem Anerkennungsgesetz einen Rechtsanspruch für ausländische Fachkräfte geschaffen hat, dass ihre Ausbildung innerhalb von drei Monaten bewertet und eingeschätzt wird. Das Bundesgesetz gilt für alle Berufe, in denen der Bund zuständig ist, zum Beispiel Ärzte und Apotheker. Es gibt aber auch Berufe, bei denen die Länder zuständig sind, beispielsweise Lehrer und Ingenieure. Leider haben erst sechs Bundesländer eigene Anerkennungsgesetze verabschiedet. Das sind viel zu wenig. Ich wünsche mir hier von den Ländern deutlich mehr Engagement.

Die Hörsäle platzen schon aus allen Nähten. Muss es zum Wintersemester Sonderprogramme des Bundes für die Universitäten geben?

Wanka Wir haben bereits auf die neuen Prognosen und die höhere Studierneigung reagiert und unsere Gelder um über zwei Milliarden Euro bis 2015 aufgestockt. Es ist ja eine historische Chance, die wir gerade haben. Wenn wir heute bei den aktuell noch starken Jahrgängen mehr Geld in die Bildung geben, sichern wir doch unsere Fachkräfte von morgen. Das wird sich 2020 oder 2030 auszahlen.

Bekommt jeder einen Studienplatz?

Wanka Das Geld des Bundes ist da. Hinzu kommt die Co-Finanzierung durch die Länder, die im Übrigen auch in Abstimmung mit den Hochschulen festlegen, wo welche Plätze entstehen.

Müssen denn 50 Prozent eines Jahrgangs studieren, oder brauchen wir nicht viel mehr junge Techniker und Handwerker?

Wanka Beides ist wichtig. Wir müssen dafür sorgen, dass jeder nach seiner Fähigkeit optimal gefördert wird. Jeder, der in der Lage ist, ein Studium erfolgreich zu absolvieren, sollte auch studieren. Wer das Studium abbricht, sollte noch stärker für die berufliche Ausbildung gewonnen werden. Die Studienabbrecherquoten sind erfreulicherweise zurückgegangen, müssen allerdings noch weiter gesenkt werden. Es ist ja auch schwierig, wenn man mit 17 oder 18 Jahren sagen soll, ob man Maschinenbau oder technische Physik studieren will.

Wie könnte es denn anders laufen?

Wanka Wir haben gute Erfahrungen gemacht mit Modellprojekten: Man schreibt sich für ein technisches Fach ein, ohne sich am Anfang genau festzulegen. Und die Entscheidung, sich zu spezialisieren, kann man etwas später mit ersten Erfahrungen treffen. Oder man führt Eignungsgespräche ein. An der Hochschule Merseburg, wo ich Rektorin war, haben viele Umwelttechnik studiert, weil sie dachten, das hätte primär etwas mit Umweltschutz zu tun. Und als sie gemerkt haben, dass es vor allem um Verfahrenstechnik geht, haben sie abgebrochen. Das hätte man vermeiden können.

Die Länder haben beschlossen, Ihre Abituraufgaben prüfen zu lassen, damit Schüler die gleichen Standards erfüllen müssen. Ein Schritt hin zum Zentralabitur?

Wanka Auf jeden Fall ein richtiger Schritt. Wettbewerb zwischen den Ländern bei der Bildung hilft ja, aber wir brauchen einheitliche Standards. Es muss vergleichbar sein, was man in Berlin oder Bremen in Mathe lernt. Jetzt haben sich die Länder auf vergleichbare Aufgaben bei Deutsch, Mathe und einer Fremdsprache geeinigt. Andere Fächer könnten sicher noch folgen.

Michael Bröcker und Rena Lehmann führten das Gespräch.

(brö)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort