Terror-Debatte "Wir sind hier nicht im Krieg"

Berlin (RPO). Die Forderungen nach einem Einsatz der Bundeswehr zur Abwehr der Terrorgefahr stoßen auf breite Ablehnung. Der Verteidigungsminister erteilte den Vorschlägen des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann (CDU) eine klare Abfuhr. SPD-Chef Sigmar Gabriel findet es erschreckend, dass ausgerechnet Kriminalbeamte nach einem Einsatz von Soldaten rufen.

 Niedersachsens Innenminister will Sexualstraftäter stärker überwachen.

Niedersachsens Innenminister will Sexualstraftäter stärker überwachen.

Foto: ddp

Schünemann hatte im Gespräch mit unserer Redaktion an die Bundesregierung appelliert, eine gesetzliche Grundlage für einen Einsatz der Bundeswehr auch im Inneren zu schaffen. Ebenso hatte sich der Bund Deutscher Kriminalbeamter dafür stark gemacht. Das allerdings würde eine Verfassungsänderung erfordern, die nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden kann. Die Resonanz auf den Vorstoß ist einhellig: Vertreter aller Fraktionen lehnen den Einsatz der Armee im Innern vehement ab.

Schünemann sprach von einer Sicherheitslücke im Falle terroristischer Anschläge. "Es gibt zwei Situationen, in denen nur die Bundeswehr die Kompetenz hat - in der Luftabwehr und bei der Seesicherheit", sagte er und verwies auf die Anschläge vom 11. September 2001, als Terroristen Flugzeuge als Waffen eingesetzt hatten. In Deutschland sei nicht festgelegt worden, "was bei einem vergleichbaren Fall geschehen soll: abdrängen oder abschießen?".

BDK ruft nach Feldjägern

Nach Einschätzung des BDK-Vorsitzenden Klaus Jansen wird "der polizeiliche Ausnahmezustand durch die akute Terrorgefahr bis weit in das nächste Jahr dauern". Das sei mit dem vorhandenen Personal aber nicht durchzuhalten. Jansen schlug vor, "insbesondere auf die Feldjäger der Streitkräfte zurückzugreifen, weil diese auch polizeilich geschult sind".

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) lehnte das Ansinnen ab. Es gebe klare Gesetzesregelungen und Verfassungsvorgaben, sagte der Minister. Daran werde sich die Bundeswehr halten.

Debatte ohne Grundlage

Auch CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sieht für eine neue Debatte über den Einsatz der Bundeswehr im Innern derzeit keine Grundlage. Es gebe momentan keinen Anlass, hier über Rechtsänderungen zu reden. "Wir wollen keine neuen Terrorabwehrgesetze", sagte er. Ausnahme seien jene Aspekte, die sich schon in der Umsetzung befinden. Die Gespräche mit der FDP über eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung seien auf einem "guten Weg".

FDP-Generalsekretär Christian Lindner kritisierte Schünemann für seine Forderung: "Für uns ist klar, innere und äußere Sicherheit bleiben getrennt. Für die innere Sicherheit wird die Polizei eingesetzt, für die äußere Sicherheit haben wir die Bundeswehr." FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff verwies darauf, dass für Zwecke der Amtshilfe heute schon Fähigkeiten der Bundeswehr, beispielsweise während schwerer Naturkatastrophen, angefordert werden könnten. "Jedoch sehe ich für den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der Luft- oder Seesicherheit weder eine verfassungsrechtliche Grundlage noch eine Notwendigkeit", sagte sie.

Opposition strikt gegen Einsatz der Bundeswehr im Innern

SPD-Chef Sigmar Gabriel bezeichnete es als "erschreckend", dass der BDK die Forderung nach dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren ebenso erhebe wie Schünemann. "Ich sage Ihnen eindeutig: Wir sind hier nicht im Krieg - auch nicht in einem psychologischen. Garant der Gefahrenabwehr in unserer Demokratie ist eine gut ausgestattete und gut ausgebildete Polizei", sagte Gabriel auf dem Kongress der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold verwies darauf, dass das Grundgesetz den Einsatz der Bundeswehr im Inland gar nicht zulasse. "Die Verfassung hat sich hier bewährt und es gibt keinen Grund zur Änderung", sagte er.

Für die Grünen kritisierte der Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour, die Feldjäger würden im Einsatz dringend gebraucht. "Dort haben wir schon heute zu wenig", sagte er und fügte hinzu: "Die Forderung nach dem Bundeswehreinsatz im Inneren wird durch ständige Wiederholung nicht richtiger."

Ähnlich äußerte sich auch der Linken-Bundestagsabgeordnete Paul Schäfer. "Die Terrorwarnungen dürfen nicht dazu benutzt werden, überkommene innenpolitische Forderungen wieder aufzukochen: Polizeiaufgaben sind von der Polizei zu bewältigen, die Bundeswehr ist weder geeignet noch ermächtigt, eine Hilfssheriffs-Rolle zu spielen", sagte er.

(apd/pst)
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