Konservativer "Berliner Kreis" will andere CDU "Wir wollen nicht auf die Kanzlerin schießen"

Berlin · Fünf Jahre dauerte die Schwangerschaft, nun hat der "Berliner Kreis" das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Die konservativen Politiker wollen der CDU die verloren gegangenen Stammwähler zurückholen. Aber keinen Konflikt mit Merkel.

Das ist der "Berliner Kreis" der CDU
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Eigentlich wollen sie, dass die CDU wieder so wird wie früher, als auch das Wetter besser war und an Wahltagen für die Partei die Sonne schien. Aber diesen Wechsel im Erscheinungsbild wollen sie natürlich nicht gegen den Willen der Vorsitzenden erreichen.

Nur "ganz zufällig", versichert der hessische CDU-Chef Christean Wagner, habe man als Ort für die Vorstellung des "Berliner Kreises" das Hinterzimmer "New York" im "Hotel Berlin" gewählt. Es liegt denn auch sicherlich "ganz zufällig" in Steinwurfweite von der CDU-Zentrale entfernt. Aber dort muss niemand in Deckung gehen. Über Schlagzeilen wie "Merkel-Kritiker wetzen die Messer" können diese fünf Herren nur lachen oder weinen, jedenfalls sei das nicht wahr.

Sicherheit und Ordnung in der Partei

In den drei Jahren, in denen er an den internen Gesprächen teilnehme, sei kein einziger Satz gefallen, mit dem die Bundeskanzlerin "Probleme" hätte haben können, betont Wolfgang Bosbach, seines Zeichens Innenausschussvorsitzender im Bundestag. Sicherheit und Ordnung sind ihm wohl auch innerhalb der Partei oberstes Gebot der Bürgerlichkeit. Es bedarf schon intensiver Nachfragen, bis sich Thomas Bareiß dazu verleiten lässt, das hässliche Wort vom "Kanzlerwahlverein" in den Mund zu nehmen. Aber er beeilt sich, das schnell wieder zu entschärfen: "Wir wollen nicht auf die Kanzlerin schießen, sondern der Partei einen Unterbau geben."

Die Überzeugung der fünf Herren in dunklen Anzügen und dezenten Krawatten: Die Union sei immer dann stark gewesen, wenn alle drei Strömungen, die konservative, die christlich-soziale, die wirtschaftsliberale gleichermaßen zu Wort gekommen seien. Inzwischen, so der weitere gemeinsame Befund, sei das Konservative in der Union aber kaum noch zu entdecken.

Netzwerk von 40 CDU-Politikern

Die Fünf, die für ein "Netzwerk" von 35 bis 40 weiteren aktiven CDU- und CSU-Politiker in Bundestag und Landtagen sprechen, fühlen sich als Speerspitze der Mehrheit in der Union. Jener Menschen, die sich selbst als "konservativ" empfinden, in der Union aber keine Heimat mehr haben. Jeder der fünf Abgeordneten weiß von "Tausenden" von Briefen und Mails zu berichten, die vor allem eine Gefahr aufzeigten: Dass die Union Gefahr laufe, auf der Suche nach zwei neuen Wählern drei Stammwähler zu verlieren.

Es könnten diejenigen sein, die an der Wehrpflicht und an der Kernkraft festhalten wollten. Aber so weit will auch der "Berliner Kreis" nicht gehen. Bareiß lässt an dieser Stelle zwar kurz aufhorchen, weil er, der auch energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag ist, ein klitzekleines Fragezeichen hinter den Atomausstieg macht.

Kritik an Merkel-Führung

Es sei "nicht so wichtig", ob das Abschalten aller Meiler "ein Jahr früher oder später" komme, der Strom müsse in erster Linie bezahlbar bleiben. Und so gipfelt denn die Kritik am für CDU-Konservative früher undenkbaren Kurs weg von Wehrpflicht und Atomstrom in Bosbachs Feststellung, diese Entscheidungen seien "eher verkündet als begründet" worden. Sprich: Letztlich ist alles in Ordnung, Angela Merkel hätte nur mehr mit ihren Leuten reden müssen.

Den "Berliner Kreis" eint die Sorge um jene etwa tausend Mitglieder, die pro Monat der Partei den Rücken kehren. Und ihr geht es darum, wieder "über 40" bei den Wahlen zu liegen. Die letzte Bundestagswahl habe für die Union das schlechteste Ergebnis seit 1949 gebracht, seitdem seien vier Landesregierungen (Schleswig-Holstein, Hamburg, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen) verloren gegangen, und immer mehr Reaktionen von denen, die die CDU nicht mehr wählten, seien laut Wagner: "Das ist nicht mehr meine Partei."

Konservatives Profil stärken

Doch auch der "Berliner Kreis" tut sich schwer damit, genauer zu definieren, was denn nun das konservative Profil der Union ausmache. Sie wollen die "wertkonservativen Wurzeln" der Union stärken. Was heißt das konkret? Auf acht Seiten legt der "Berliner Kreis" nun ein Manifest vor, das sich liest wie weichgespült.

Das "mehrgliedrige Schulsystem" findet sich darin, die "Religionsfreiheit", das "Lohnabstandsgebot" und dass der Staat "die Familie als Gemeinschaft von Eltern und Kindern schützen und fördern" müsse. Deshalb begrüßen die Konservativen das Betreuungsgeld, wollen das Ehegattensplitting "nicht zur Disposition" stellen, stehen einer "Weiterentwicklung zu einem Familiensplitting" aber offen gegenüber. Die Konservativen in der alten CDU hätten an der Stelle sicherlich Schluckbeschwerden bekommen.

Einen staatlich verordneten Mindestlohn lehnt der "Berliner Kreis" genau so ab wie eine starre Frauenquote. Aber auch da ist er auf der Höhe von Parteitagsbeschlüssen. Ja man darf bezweifeln, dass irgendeine Zeile des Manifestes beim nächsten Bundesparteitag der CDU in Ungnade fallen könnte. Selbst zum Thema Schwulenehe oder Homosexualität findet sich kein Wort bei den Konservativen.

"Sind nur ein Netwerk"

"Sollen sie damit glücklich werden — nachhaltig ist es jedenfalls nicht", sagt "Berliner-Kreis"-Mitstreiter Steffen Flath unter ausdrücklicher Betonung, dass das nur ein Zitat des Dresdner Politikwissenschaftlers Werner Patzelt über Homosexuelle sei, was er selbst auch gut finde. Offiziell heißt es dazu nur: "Wir haben vermieden, uns dazu zu äußern."

Vor allem hat der "Berliner Kreis" vermieden, sich selbst arbeitserleichternde Strukturen zu geben. Das war erklärte Absicht einiger Mitdiskutanten, die sich damit vor Jahresfrist dem geballten Zorn von Partei- und Fraktionsspitze aussetzten. "Nur ein Netzwerk", betont Wagner, sei der Kreis, und mehr wolle er auch nicht werden. Jeden Dienstag versammelt Bareiß in Sitzungswochen konservative Bundestagsabgeordnete um sich, und drei bis vier Mal im Jahr komme man in größerer Runde zusammen. Vielleicht werde man sich in absehbarer Zeit eine funktionierende Homepage im Internet zulegen. Derzeit gebe es zumindest schon mal eine Kontaktadresse: info@berlinerkreisinderunion.de

So fällt denn auch die Reaktion der Parteispitze auf die Geburt jenes Wesens ohne allzu scharfe Konturen ausgesprochen freundlich aus: "Es ist unser gemeinsames Anliegen, die Union weiter nach vorne zu bringen", sagt CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe im Gespräch mit unserer Redaktion. "Jeder, der am Profil der Partei mitarbeiten will, ist herzlich willkommen", sagt er ausdrücklich.

Einen Geburtsfehler hat der "Berliner Kreis" jedoch: Das Konservative in der Union werden bei der Vorstellung von fünf Herren präsentiert. Eine Frau ist nicht dabei. Aber es diskutierten mit Ute Granold aus Mainz und Erika Steinbach aus Frankfurt zwei Frauen aus der Bundestagsfraktion mit, berichtet Wagner auf Nachfrage. Insgesamt seien es "vier bis fünf" — von 35 bis 40.

(may)
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