Leutheusser stützt Brüderle wegen "Dirndl"-Äußerung "Wo ist denn da die Beleidigung?"

Köln · Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) verteidigt das Verhalten des wegen Sexismus-Vorwürfen in die Kritik geratenen FDP-Fraktionschefs Rainer Brüderle.

FDP-Neujahrsempfang : Brüderle im Blickpunkt
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Brüderle müsse sich nicht entschuldigen, er habe sich auch gegenüber der "Stern"-Journalistin Laura Himmelreich "richtig verhalten", sagte die FDP-Vizechefin am Donnerstag im Deutschlandfunk.

Leutheusser-Schnarrenberger sagte zu den von Himmelreich veröffentlichen Äußerungen Brüderles: "Ein Kompliment ist doch was anderes, als wenn jemand tatsächlich übergriffig ist."

Laut Himmelreich soll Brüderle ihr vor einem Jahr in einer Hotelbar während eines Gesprächs über das Oktoberfest in München auf ihren Busen geguckt und gesagt haben: "Sie können ein Dirndl auch ausfüllen". Leutheusser-Schnarrenberger sieht darin kein Problem.

Kirche im Dorf lassen

"Wenn ich auch ein Dirndl tragen kann und das steht mir gut, wo ist denn da die Beleidigung? Also ich möchte wirklich, dass man hier mal die Kirche im Dorf lässt."

Auf die Frage, ob es ein Problem sei, wenn Brüderle "nur noch als alternder Mann wahrgenommen wird, der abends junge Frauen an der Bar angräbt", sagte die bayerische FDP-Chefin: "Genau dieses Bild stimmt eben überhaupt nicht. Und wenn so Bilder gezeichnet werden, werden wir dem auch klar widersprechen."

Man müsse sich "die Ursache der Debatte in Ruhe vor Augen führen", fügte die FDP-Vizechefin hinzu: Die liege auch darin, dass eine Zeitung mit dem Thema "versuchen will, interessant zu sein und gelesen zu werden".

Schlechtes Zeugnis für Journalismus

Derweil stellt Publizist Michael Naumann dem politischen Journalismus in Deutschland ein schlechtes Zeugnis aus. Vielfach fehle es der Berichterstattung an Augenmaß, schreibt der ehemalige Kulturstaatssekretär in einem Gastkommentar für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Donnerstag).

Stattdessen herrsche ein Hang zu Oberflächlichkeit und Empörung vor. "Der neue mediale Raum, in dem gesprochen, geschrieben und gesendet, in dem gehört, gelesen und getwittert wird, hat zwei menschliche Fähigkeiten verloren: zu vergessen und zu verzeihen", beklagt Naumann.

Als Beispiel nennt der SPD-Politiker die Debatte um Sexismus-Vorwürfe gegen FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Wer in einigen Jahren die Stichworte "Brüderle", "Anmache" und "Sexismus" in eine Internet-Suchmaschine eingebe, "wird Zeuge eines seltsamen Anfalls von öffentlichem Irrsinn werden".

Zu finden seien dann aller Voraussicht nach "Tausende Seiten über einen offenkundig beschwipsten Politiker mit eingeschränktem Anstandsgefühl und Zehntausende empörte Frauen, die sich über chauvinistischen Sexismus echauffieren". Naumann: "Alles überlebt im Netz für immer."

(APD//KNA/nbe)
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