Ministerrunde am Nachmittag Schäubles Kampf um die Erbschaftsteuer-Reform

Berlin · Gerade eineinhalb Stunden sind für die Gespräche von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit seinen Länderkollegen am Donnerstagnachmittag zur Erbschaftsteuerreform angesetzt. Eine knapp bemessene Zeit angesichts der heftigen Widerstände gegen die Pläne Schäubles - auch aus der Union.

Wolfgang Schäuble: Kampf um die Erbschaftsteuer-Reform
Foto: dpa, jbu tmk fux

Zu wenig auch, um schon auf einen Durchbruch im Gesamtpaket zu hoffen. Bereits vor der Ministerrunde zeichnet sich ab: Von seinen Eckpunkten - ursprünglich nur als Gesprächsgrundlage gedacht - wird Schäuble wohl nur wenig abrücken.

Der CDU-Politiker lässt sich nicht beirren, auch wenn Wirtschaftsverbände und Familienunternehmen seit Wochen Sturm laufen gegen die vom Bundesverfassungsgericht geforderten neuen Regeln zur Verschonung von Firmenerben, Schreckensszenarien an die Wand malen und immer neue Verfassungsexperten als Kritiker in die Debatte schicken. Nach jetzigem Stand dürfte Schäuble aber allenfalls zu kleineren Zugeständnissen bereit sein. Sein Credo: Diese neuerliche Reform muss endlich verfassungsfest sein.

Zumal auch die Länder kein gemeinsames Konzept in der Schublade haben - und ihre Interessenlage alles andere als einheitlich ist. Ähnliches gilt für die Berliner Koalitionsreihen. Da steht die SPD größtenteils hinter Schäubles Plänen, die CSU attackiert diese frontal, und die CDU agiert mehr oder weniger dazwischen. Daran ändert auch die neue Steuerschätzung nichts, deren positive Ergebnisse Schäuble kurz vor dem Ministertreffen verkündet. Denn das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer macht mit jährlich 5,5 Milliarden Euro nicht einmal ein Hundertstel des Gesamt-Steueraufkommens des Staates aus.

Darum geht es

Worum geht es konkret? Aus Sicht der Verfassungsrichter darf der Staat Firmenerben gegenüber anderen Erben durchaus privilegieren, wenn sie das Unternehmen eine Zeit lang fortführen und Arbeitsplätze erhalten. Karlsruhe fordert aber, dass bei größeren Unternehmen Firmenerben nur dann verschont werden dürfen, wenn sie in einer Bedürfnisprüfung nachweisen, dass sie die Steuer nicht verkraften.

Nach Schäubles Plan soll diese Bedürfnisprüfung ab einem Wert von 20 Millionen Euro je Erbfall greifen. Auch das Privatvermögen eines Erben soll zur Hälfte herangezogen werden. Die Wirtschaft ist entsetzt. Sie fordert eine höhere Grenze und warnt wegen einer "nicht marktgerechten, viel zu hohen Bewertung von Unternehmen".

Schon ein Unternehmen mit einem jährlichen Gewinn von etwa 1,1 Millionen Euro habe so einen Wert von mehr als 20 Millionen Euro, rechnen Wirtschaftsverbände vor. Die Einbeziehung des Privatvermögens sei "weder gerecht noch ökonomisch sinnvoll", wird auch kritisiert. Zumal Privatvermögen bei inhabergeführten Familienunternehmen häufig gebunden sei - für Bürgschaften oder Sicherheiten.

An dieser Stelle könnte Schäuble zu Korrekturen bereit sein. So könnte eine Bedürfnisprüfung bei Familienunternehmen an Kriterien wie die Kapitalbindung - etwa wegen eines Ausschüttungsverbotes - geknüpft werden. Auch bei der Behandlung kleinerer Firmen mit bis zu 20 Beschäftigten, die bisher ohne Prüfung und Nachweis eines Arbeitsplatz-Erhalts verschont wurden, sind Nachbesserungen möglich.

Wie bisher könnte die Begünstigung an die Job-Zahl gebunden sein - aber an eine weit niedrigere. Der hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) etwa hatte vorgeschlagen, dass Firmen mit bis zu drei Beschäftigten generell geschont werden. Dann könnte es im Rahmen einer Stufen-Regelung weitere Vorgaben geben. Bei den Regelungen für eine Stundung der Steuerzahlung pochen Kritiker ebenfalls auf eine "großzügigere Ausgestaltung".

Optimisten hoffen, dass bei dem Finanzminister-Treffen nicht nur bei strittigen Begriffen eine Linie gefunden wird, sondern wenigstens ein paar erste Eckpunkte festgezurrt werden. Die verschiedenen Varianten dürften dann in den nächsten Wochen hoch und runter gerechnet werden. Denn eine Vorgabe der Koalition für die Reform lautet auch: Sie soll unterm Strich nicht zu Mehr- oder Minder-Einnahmen für die Länderkassen führen.

Bis zum Sommer soll eine Lösung stehen. Womöglich legt Schäuble noch im Mai einen ersten Referentenentwurf vor. Sein Haus setzt auch darauf, dass am Ende viele Unternehmer doch noch überzeugt werden, wenn sie die Pläne einmal genauer studieren. Umgesetzt werden muss die Neuregelung zwar spätestens im Juni 2016. Solange will man Familienunternehmer und Firmenerben aber nicht im Ungewissen lassen.

Die Eckpunkte:

VERSCHONUNGSKONZEPT

BISHER: Firmenerben werden unabhängig vom Unternehmenswert bei der Erbschaftsteuer zu 85 oder 100 Prozent verschont, wenn sie das Unternehmen fünf beziehungsweise sieben Jahre fortführen ("Haltefrist") und Arbeitsplätze erhalten ("Lohnsummenregel").

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT: Karlsruhe hält die Verschonungsregeln grundsätzlich für geeignet, aber für unverhältnismäßig. Bei einem Erwerb von großem Betriebsvermögen muss geprüft werden, ob der Firmenerbe überhaupt verschont werden muss ("Bedürfnisprüfung").

VORSCHLAG SCHÄUBLE: Grundsätzlich sollen das Unternehmen und die Arbeitnehmer geschützt und die Erbschaftsteuer nie aus dem Betrieb heraus gezahlt werden. Herangezogen wird daher nicht der Unternehmenswert, sondern der Erb- oder Schenkungsfall.

Ab einer Freigrenze von 20 Millionen Euro je Erbfall soll eine individuelle Bedürfnisprüfung greifen. Der Firmenerbe muss nachweisen, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuerschuld sofort aus anderem, nicht betriebsnotwendigen und vorhandenem Vermögen oder übertragenem Privatvermögen zu begleichen. Dieses verfügbare Vermögen sollte zur Hälfte eingesetzt werden.

KLEINBETRIEBE

BISHER: Betriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern sind vom Nachweis des Arbeitsplatzerhalts ("Lohnsummenregel) befreit. Es gelten lediglich die Haltefristen.

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT: Da ein Großteil der Firmen weniger als 20 Beschäftigte hat, ist die Verschonungsregel unverhältnismäßig.

VORSCHLAG SCHÄUBLE: Bei Firmen mit einem Unternehmenswert bis zu einer Million Euro wird auf eine Prüfung der Lohnsummenregel verzichtet.

VERWALTUNGSVERMÖGEN

BISHER: Begünstigtes Unternehmensvermögen wird teilweise oder komplett verschont, wenn das Verwaltungsvermögen im Unternehmen einen Anteil von 50 beziehungsweise 10 Prozent nicht übersteigt.

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT: Die bisherige Regelung ist unverhältnismäßig. Es werde nicht begünstigungsfähiges Verwaltungsvermögen bis zu einem Anteil von 50 Prozent verschont.

VORSCHLAG SCHÄUBLE: Der Begriff des begünstigten Vermögens wird neu definiert. Zum begünstigten Vermögen gehören alle Wirtschaftsgüter eines Unternehmens, die zu mehr als 50 Prozent dem Hauptzweck dienen.
Betriebsschulden sollen steuermindernd berücksichtigt werden.

(dpa)
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