Kommunen sind enttäuscht Schäuble vertagt Entlastung der Städte

Berlin · Der Bund soll den Kommunen erst nach 2017 fünf Milliarden Euro jährlich bei der Eingliederungshilfe für Behinderte abnehmen. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD den Zeitpunkt offen gelassen. Die Kommunen sind enttäuscht.

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Foto: dpa/Gregor Fischer

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat an die Bundesregierung appelliert, die Kommunen bei der Behinderten-Hilfe noch in dieser Legislaturperiode um fünf Milliarden Euro jährlich zu entlasten. "Alles andere würde zu einer tiefen Enttäuschung bei den Kommunen führen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Gemeindebundes, Gerd Landsberg. "Der Koalitionsvertrag stellt diese Entlastung ausdrücklich als vorrangiges Ziel heraus, und darauf vertrauen wir."

Die Kommunen geben jedes Jahr über 15 Milliarden Euro für behinderte Menschen aus, die Anspruch auf Sozialhilfe haben und zu Hause betreut werden müssen oder die etwa in Werkstätten arbeiten. Die Kosten dieser Eingliederungshilfen steigen rasant, weil die Leistungen teurer werden und immer mehr Menschen anspruchsberechtigt sind. 2005 lagen die Kosten noch bei rund zehn Milliarden Euro im Jahr.

"Notwendig ist also eine zügige Reform, damit das System effektiver gestaltet, zielgenauer ausgerichtet und die Kommunen endlich Spielraum für die dringend notwendigen Investitionen bekommen", sagte Landsberg. "Das dafür notwendige Signal muss jetzt vor den Kommunalwahlen am 25. Mai erfolgen." Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will jedoch die im Koalitionsvertrag festgelegte Entlastung der Kommunen von jährlich fünf Milliarden Euro durch den Bund auf die kommende Legislaturperiode verschieben.

Dies geht aus der Antwort des Finanzministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion hervor, die unserer Zeitung vorliegt. "Der Koalitionsvertrag nennt keine Jahrestranchen für die darin niedergelegten Vorhaben zur Entlastung der Kommunen", heißt es in dem Schreiben von Finanz-Staatssekretär Steffen Kampeter. "Im Vorgriff auf ein Bundesteilhabegesetz, das die Kommunen ab 2018 jährlich um fünf Milliarden Euro von den Kosten der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen entlasten soll, ist in den Jahren 2015 bis 2017 bereits eine Entlastung in Höhe von einer Milliarde Euro jährlich zugunsten der Kommunen vorgesehen", schreibt Kampeter.

"Bereits unmittelbar nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen wurde in öffentlichen Äußerungen klargestellt, dass (...) nicht geplant war, diese Entlastung von fünf Milliarden Euro jährlich vor 2018 finanzwirksam werden zu lassen." In der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes sei für die zusätzlichen Belastungen 2018 aber "eine Vorsorge eingerichtet".

Nach den Plänen der großen Koalition soll das Bundesteilhabegesetz zwar spätestens 2017 beschlossen werden, aber erst 2018 in Kraft treten. Bei den Kommunen stößt das auf größtes Unverständnis. Vor allem finanzschwache Städte etwa im Ruhrgebiet hatten fest mit höheren Entlastungen bereits ab 2016 gerechnet. Auch Nordrhein-Westfalens Landesregierung pocht auf frühere Zahlungen. Schäuble strebt jedoch eine Nullverschuldung im Bundeshaushalt 2015 an. Er wäre damit seit 1969 der erste Bundesfinanzminister, dem das gelingt. Auch nach 2015 soll die schwarze Null stehen. Kommende Woche bringt der Finanzminister seinen Haushalt in den Bundestag ein. Es ist das wichtigste Projekt der Union innerhalb der großen Koalition.

Im Streit um die Milliarden-Entlastung haben die Kommunen die Grünen an ihrer Seite. "Die große Koalition und allen voran die SPD enttäuscht die Kommunen auf ganzer Linie", sagte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Sven-Christian Kindler. "Fünf Milliarden Euro Entlastung wurde den Kommunen durch das Bundesteilhabegesetz im Koalitionsvertrag versprochen. Jetzt zeigt sich: kaum versprochen, schon gebrochen", sagte Kindler.

(mar)
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