Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU "Das Rentenpaket hätte nicht verabschiedet werden dürfen"

Düsseldorf · Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, spricht über die Flüchtlingskrise, die Neuverschuldung und die Alterssicherung.

Wolfgang Steiger ist Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU.

Wolfgang Steiger ist Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU.

Foto: Hannibal Hanschke

Die Flüchtlingskrise stellt nach Ansicht des Generalsekretärs des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, die wirtschaftsfeindliche Bürokratie in Deutschland infrage. "Wir haben nur eine Chance, das Problem zu lösen. Wir müssen die Flüchtlinge schnell in Beschäftigung bekommen", sagte Steiger unserer Redaktion. Als hinderliche Bürokratie sieht er unter anderem die Regulierung der Zeitarbeitsverhältnisse und die Vorrangprüfung, also die umständliche Suche, ob für bestimmte Tätigkeiten auch ein Deutscher zur Verfügung steht.

Der Vertreter des CDU-Wirtschaftsflügels plädiert auch für zeitlich befristete Ausnahmen beim Mindestlohn. "Wir benötigen Erleichterungen für die Betriebe, um möglichst einfach Praktika anzubieten", regte er an. Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge seien jünger als 35 Jahre. Ähnlich den Praktikanten könnten die Arbeitgeber die Flüchtlinge einarbeiten, ohne gleich zur dauerhaften Beschäftigung mit Mindestlohn verpflichtet zu sein. "Wir brauchen diese Flexibilität, sonst sehe ich große Probleme bei der Integration", meinte Steiger.

Steiger spricht sich auch für eine konsequente Abschiebung solcher Personen aus, die als Asylbewerber abgelehnt würden. "Man darf das Asylrecht nicht weiter als Instrument der Zuwanderung missbrauchen lassen und muss alle materiellen Anreize reduzieren", sagte der Generalsekretär, der ansonsten im Extremfall mit gut 6,5 Millionen Menschen zusätzlich rechnet. Bis heute hätten außer Bayern alle Landesregierungen die Umstellung von Bar- auf Sachleistungen noch nicht vollzogen. Die Grünen nähmen hier eine "nicht mehr nachvollziehbare, blauäugige Vetoposition" ein.

Die Weigerung der Europäischen Union, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, bezeichnete Steiger "als Trauerspiel". Hier zerbreche die europäische Solidarität und könnte das europäische Haus zum Einsturz bringen. "Solidarität ist keine Einbahnstraße", sagte der Christdemokrat. Kanzlerin Angela Merkel müsse ihre ganze Autorität einsetzen, um die EU-Partnerländer zum Einlenken zu bewegen. Zur Frage, ob die Politik Merkels zu viele Flüchtlinge ins Land gelockt hätte, wollte sich Steiger nicht äußern.

"Es geht nicht um Schuldzuweisungen an einzelne Personen. Politik muss sich selbst auch korrigieren, wenn zu früh falsche Weichen gestellt wurden. Wir müssen diese große Herausforderung gemeinsam lösen. Ob das am Ende klappt, weiß ich allerdings nicht. Es wird noch viele Krisenrunden dazu geben müssen. Die Flüchtlingsströme nach Europa dürfen auf keinen Fall weiter vor allem in unser Land gezogen werden. So schaffen wir das angesichts der schon vor der Krise in einigen Parallelgesellschaften misslungenen Integration nicht mehr. Jetzt muss für die langfristigen Weichenstellungen ein Integrationsrat beim Kanzleramt gebildet werden. Wie zur Agenda 2010 müssen in einem solchen Arbeitsgremium konkrete Reformvorschläge ohne Tabuisierungen politische Handlungsempfehlungen formuliert werden", sagte Wolfgang Steiger.

In der Frage der Neuverschuldung dürfe Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) trotz der zusätzlichen Milliardenausgaben das Ziel der "schwarzen Null" nicht aufgeben. "Es darf im Zusammenhang mit den Ausgaben für Flüchtlinge weder Steuererhöhungen noch neue Schulden geben, sonst marschieren wir auf Kosten der nächsten Generation weiter in den Schuldenstaat", sagte Steiger. Stattdessen müsste bei staatlichen Ausgaben in allen Bereichen gespart werden. Da gebe es noch erhebliche Spielräume.

"Das Rentenpaket hätte nicht verabschiedet werden dürfen. Es handelt sich dabei um reine Geschenke." Nach dem im vergangenen Jahr von der großen Koalition verabschiedeten Paket bekommen Frauen, deren Kinder vor 1992 zur Welt kamen, Kindererziehungszeiten in der Rente besser honoriert. Zudem können Beschäftigte mit 63 Jahren, wenn sie 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben, abschlagsfrei in den Ruhestand gehen.

"Es ist völlig kontraproduktiv gewesen, Hunderttausende von Fachkräften vorzeitig in Rente zu schicken. Wir müssen mit der Flexi-Rente einen Anreiz schaffen, freiwillig länger zu arbeiten. Dafür sollen die Arbeitgeberanteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung als Bonus auf das Einkommen der Arbeitnehmer obendrauf ausgezahlt werden. Den Arbeitgebern soll hier ausdrücklich nichts geschenkt werden. Eine ehrliche Aussage wäre auch, dass wir das Renteneintrittsalter mit der höheren Lebenserwartung in der Zukunft eher auf 70 Jahre erhöhen müssen", sagte Steiger dazu.

So funktioniert die Rente mit 63
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(kes)
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