Bundespräsident denkt nicht an Rücktritt Wulff macht den Rau

Berlin · Der Bundespräsident sitzt angeschlagen im Schloß Bellevue. Eine Affäre aus seiner Zeit als Ministerpräsident hat ihn eingeholt. Rücktrittsforderungen werden laut. Nun muss juristischer Beistand her - sagte sich Johannes Rau vor knapp zwölf Jahren und beauftragte Gernot Lehr mit der Wahrnehmung seiner Interessen.

Presse zu Wulff: "Für dumm verkauft"
Infos

Presse zu Wulff: "Für dumm verkauft"

Infos
Foto: dapd, Jens Schlueter

Auf den selben Rechtsanwalt baut nun auch Bundespräsident Christian Wulff in seiner Kreditaffäre. Das ist schon ein politisches Signal.

Wulff will ebenso um sein Amt kämpfen wie einst Rau, der Anfang 2000 die Flugaffäre der WestLB überstand. Dafür legt der Bundespräsident am Montag seine Papiere offen. Vom sechsten Stock des Berliner Bürohauses geht der Blick durch eine Baulücke des Leipziger Platzes hinüber zum Reichstagsgebäude. Die Aufmerksamkeit der zahlreich erschienenen Journalisten gilt aber nicht der gläsernen Kuppel, sondern ordentlich abgehefteten Dokumenten, die auf einem einfachen Holztisch zur Lektüre liegen.

"Filmen Sie gerade die Unterlagen?", fragt eine Mitarbeitern des Berliner Büros der Bonner Kanzlei Redeker Sellner Dahs, zu der Anwalt Lehr gehört, misstrauisch einen Kameramann. Das ist nämlich nicht gestattet. Aufgenommen werden dürfen nur die lesenden Kollegen. Denn die Papiere sind brisant und haben in der vergangenen Woche mächtig für Wirbel gesorgt.

Dokumente in sieben Registern

In dem Leitz-Ordner finden sich in sieben Registern der zwölfseitige Kaufvertrag für das Eigenheim von Christian und Bettina Wulff in Burgwedel bei Hannover zum Preis von 415.000 Euro. Abgeheftet ist neben dem Grundbuch und Bestätigungen der Zinszahlungen auch der umstrittene private Kreditvertrag über 500.000 Euro, ohne den sich das damals frisch vermählte Paar das Einfamilienhaus nicht hätte leisten können.

Aus dem einseitigen Dokument geht erwartungsgemäß hervor, dass das Darlehen von Edith Geerkens stammt, der Ehefrau des mit Wulff befreundeten Unternehmers Egon Geerkens. Vertraglich vereinbart wurde ein Zinssatz von vier Prozent. Das entspricht einer monatlichen Belastung von 1666 Euro. Ursprünglich vorgesehene Zinsen von 4,5 Prozent wurden im Vertrag handschriftlich um einen halben Punkt nach unten korrigiert. Nachfragen zu den Papieren wehrt Anwalt Lehr höflich ab. Man möge diese bitte "schriftlich einreichen".

Wegen des privaten Kreditvertrags aus dem Jahr 2008 steht Wulff seit Tagen unter Druck. Als Ministerpräsident von Niedersachsen hatte er Anfang 2010 eine Geschäftsbeziehung zu Egon Geerkens im Landtag verneint und dabei unerwähnt gelassen, dass er den Kredit mit dessen Ehefrau schloss. Ein Bericht der "Bild"-Zeitung, der während des Staatsbesuchs des Bundespräsidenten in Kuwait veröffentlicht wurde, brachte Wulff den Vorwurf der Täuschung ein.
Dann meldete der "Spiegel" auch noch, dass der Kredit eigentlich doch mit dem "väterlichen" Freund Egon Geerkens ausgehandelt worden sei.

Wulff kann in dem Kreditvertrag kein Unrecht erkennen. Er sieht sich offenkundig als Opfer einer Medienkampagne. Schließlich müsse doch auch ein Spitzenpolitiker wirtschaftlich denken und Freunde haben dürfen. Erst nach einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drückte der Bundespräsident zwar sein "Bedauern" aus, dass in der Kreditaffäre "ein falscher Eindruck entstehen konnte".
In der Sache selbst aber habe er sich nichts vorzuwerfen, stellte er klar.

"Wem es in der Küche zu heiß ist..."

Wulffs Vorgänger Horst Köhler war nach missverständlichen Äußerungen über den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr zurückgetreten, weil er "den notwendigen Respekt" vor dem höchsten Staatsamt vermisste. Anders als der dünnhäutige Seiteneinsteiger Köhler sieht sich sein Nachfolger aber als Politikprofi, der schon so manchen Sturm überstanden hat. Auch wenn er sich gerne demonstrativ bescheiden gibt, gilt er als erprobter Machtmensch. Ähnlich wie der ebenfalls aus Niedersachsen stammende SPD-Altkanzler Gerhard Schröder folgt Wulff offenbar der Devise: "Wem es in der Küche zu heiß ist, der sollte nicht Koch werden."

Rau hat die Flugaffäre überstanden und ist als geachtetes Staatsoberhaupt in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eingegangen. Auf eine ähnliche Schonung in der öffentlichen Meinung hofft nun auch Wulff, der vor der Affäre in den Umfragen zum beliebtesten Politiker Deutschlands avanciert war. Neben den bevorstehenden Weihnachtsfeiertagen könnte ihm dabei der Umstand zugute kommen, dass in Berlin mitten in der Eurokrise eigentlich niemand so recht einen neuen Präsidenten wählen will.

Nur Lotter wagt sich vor

Das gilt insbesondere für Union und Liberale, die in der Bundesversammlung derzeit nur noch eine Mehrheit von vier Stimmen hätten. Einzig der bayerische FDP-Abgeordnete Erwin Lotter wagte sich mit Rücktrittsforderungen vor die Fernsehkameras. Erwin wer? Auch der Proteststurm der Opposition fiel vergleichsweise pflichtschuldig aus. Schließlich war Wulff im höchsten Staatsamt auf SPD und Grüne zugegangen. Sein Bekenntnis, dass auch der Islam inzwischen zu Deutschland gehört und seine jüngsten Attacken gegen gierige Banker wurden dort gerne vernommen.

Appelle, Wulff möge doch bitte im Amt bleiben, waren in den vergangenen Tagen allerdings auch rar gesät. Lediglich Bekir Alboga, der Sprecher des Koordinierungsrates der Muslime, ließ sich am Montag hymnisch zitieren: "Der Bundespräsident genießt ein hohes Ansehen und Respekt - nicht nur in Deutschland, sondern insbesondere auch auf internationaler Ebene."

(APD)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort