Bundespräsident in der Kritik Wulffs raffinierte Vorwärtsverteidigung

Berlin · Bundespräsident Christian Wulff kündigte eine in Deutschland noch nie dagewesene Transparenz an, die "neue Maßstäbe" setzen sollte. Die zusammenfassende Darstellung zu den 450 Medienanfragen nimmt sich dagegen eher dünn aus. In Teilen wirkt sie wie ein listiges juristisches Schriftstück.

Der Christdemokrat Christian Wulff ist im politischen Kampf erprobt. Dreimal trat er als Spitzenkandidat seiner Partei zu Landtagswahlen in Niedersachsen an, fing sich bittere Niederlagen ein und wurde am Ende doch Ministerpräsident. Politische Gegner attackierte der ehrgeizige Aufsteiger besonders gerne, wenn die in Affären verstrickt waren.

So setzte er Ex-Landeschef Gerhard Glogowski (SPD) bei dessen Sponsoring-Affäre nach Kräften zu, verlangte nach dessen Rücktritt gar eine Kürzung der Pension und eine Streichung des Übergangsgelds. Auch seinen Vorvorgänger im Amt des Bundespräsidenten, Johannes Rau, griff er wegen dessen Flugaffäre vehement an und forderte als einer der ersten ("Eine Belastung für das Amt") dessen Rücktritt.

Inzwischen ist er selbst in den Strudel einer Kredit- und Medienaffäre geraten. Ähnlich wie der einstige politische Gegner versucht sich Wulff mit größtmöglicher Transparenz und einer Mischung aus persönlicher Betroffenheit, der Bitte um Schutz für seine Freunde und Familie sowie einer gewissen Demut zu verteidigen. Doch im politischen Kampf — für Wulff ist es einer ums politische Überleben — geht es nicht wirklich um Offenheit, sondern um deren Anschein. Das beweist Wulff mit der Stellungnahme seines Anwalts Gernot Lehr, die seit gestern im Internet steht.

"Alles ins Internet einstellen"

Angekündigt hatte Wulff, dass seine Verteidiger "alles ins Internet einstellen". Rund 450 Medienanfragen hätten ihn erreicht, erzählte er. Fragen zur Finanzierung seines Eigenheims, zu Urlauben, die bis in die 70er Jahre zurückreichten, zu Hypotheken und Krediten, zu Hochzeitskosten, zum Unterhalt der Mutter und welche Kleider seine Frau bezahlt hätte und welche geliehen seien. Das sah danach aus, als kehre einer "alles von innen nach oben und umgekehrt", wie das Staatsoberhaupt im Fernsehinterview sagte.

Doch wer glaubte, er könne nun einen Blick ins Wulff'sche Privatleben erhaschen, könne alles rechtlich bewerten und anhand der Fragen erkennen, was der Präsident beantwortet hat und was nicht, der sah sich getäuscht. Nicht dass irgendjemand das von ihm verlangt hätte. Aber Wulff hat den Anschein erweckt. Stattdessen findet der Interessierte ein raffiniertes juristisches Schriftstück, das gekonnt alle Klippen umschifft und den Bundespräsidenten nach Möglichkeit von allen Vorwürfen reinwäscht. Das ist nicht ehrenrührig, hat aber mehr mit politischem Kampf als mit Transparenz zu tun. Und darin ist Wulff in jedem Fall erfahrener.

Transparenz auf zwei Seiten

So fällt die "größtmögliche Transparenz", die auch im Schriftstück seines Anwalts Lehr angekündigt ist und die "sein Mandant anstrebt", eher mager aus. Nach einer einschränkenden Vorrede breitet Wulffs Anwalt auf zwei dünnen DIN-A 4-Seiten recht knapp die Fakten zur Finanzierung und Renovierung des Eigenheims der Familie Wulff in Großburgwedel aus. Es wird hervorgehoben, dass der "väterliche Freund" Egon Geerkens, der stets "auf eigene Kosten" den früheren Ministerpräsidenten begleitete, ihm mit Rat und Tat zur Seite stand, wenn es um Immobilien ging.

Dann leitet der Bericht geschickt über zu dessen Frau Edith, die bei einem gemeinsamen Abendessen der beiden Ehepaare dem Ministerpräsidenten anbietet, einen Privatkredit über 500.000 Euro zu einem moderaten Zinssatz anzubieten, der damals mit 4,5 Prozent leicht über dem dann gewährten stand. Auch hier blitzt die anwaltliche Raffinesse durch. Lehr baut die ganze Kreditgewährung so auf, als sei "von vornherein beabsichtigt gewesen", den Privatkredit durch einen Bankkredit abzulösen. Das klingt viel seriöser als ein Darlehen unter Freunden, bei dem einer in seiner aktiven Zeit einst Millionen mit Schrott und Immobilien verdient hat, während der andere die Geschicke des Landes führte.

Mit Transparenz hat das nur am Rande zu tun. Ein Verweis auf die marktübliche Verzinsung bei einer Finanzierung, die den Kaufpreis überschießt, fehlt völlig. Stattdessen wird so getan, als sei der günstige Zinssatz von vier Prozent nur auf die aktuelle, nach unten gerichtete Zinsentwicklung zurückzuführen.

Vieles bleibt unklar

In diesem Duktus geht es weiter. Das "rollierende Geldmarktdarlehen", das die Stuttgarter BW-Bank wie aus dem Nichts gewährt und dessen Höchstsumme plötzlich 525.000 Euro beträgt, wird nach jeweils dreimonatiger Vertragserneuerung auf zuletzt 475.000 Euro gesenkt. Man würde zu diesem merkwürdigen Kredit gern die Fragen der Medien kennen. Warum diese Finanzierung, warum die Unwandlung in einen recht normalen Hypothekenkredit, der im Gegensatz zum Geldmarktdarlehen auch getilgt werden muss und dessen Zinsen mit 3,56 Prozent viel höher ausfallen als beim "rollierenden" Kurzfristkredit (2,1 Prozent)?

Es bleibt noch mehr unklar. Warum geht Wulff überhaupt ein Zinsrisiko ein, auf das sein Anwalt so eindrücklich verweist? Denn auch hier, wie es im Schriftstück heißt, war wiederum "von vornherein beabsichtigt, den Geldmarktkredit durch ein langfristiges Tilgungsdarlehen abzulösen". Warum nicht gleich diesen unverdächtigen Kredit? Dass zeitgleich journalistische Recherchen liefen, die mögliche Geschäftsbeziehungen zwischen Wulff und seinem Freund Geerkens untersuchten, verschweigt der Bericht. Könnte das der Grund sein für die schnelle Ablösung des Kredits? Hat danach kein Journalist gefragt?

Im Nachhinein wird so getan, als handle es sich um einen Überbrückungskredit, weil Wulff das Geld schneller brauchte als ursprünglich gedacht. Dass aber ein Kredit den Kaufpreis des Hauses um mehr als 100.000 Euro überschießt und trotzdem Bedingungen wie am hochprofessionellen Interbankenmarkt in London gewährt werden, spricht schon für einen sehr "gehobenen Privatkunden" Christian Wulff. Denn so verteidigt die BW-Bank die günstigen Bedingungen. Inzwischen wird die Stuttgarter Bank von Anfragen überschwemmt, Kredite zu den Konditionen der Wulffs zu bekommen. Ob sie darauf eingeht, sagt die Bank allerdings nicht.

Stattliches Anwesen

Im zweiten Teil nimmt Wulff-Anwalt Lehr zu den Urlaubsaufenthalten Stellung. Wieder erweckte der Bundespräsident im Interview den Eindruck, als seien seine Gastgeber alle Schulfreunde, ihm persönlich außerhalb der Politik bekannt oder eben seit Jahren eng verbunden. So war es etwa bei den Geerkens', bei denen Wulff in den Jahren 2003 und 2004 "Gast in deren privaten Räumlichkeiten in Spanien" war. Das klingt übrigens nach Ferienhäuschen. Doch die Geerkens' haben dort ein stattliches Anwesen.

Auch die "privaten Räumlichkeiten" des Aufsichtsratschefs des größten deutschen Industrieversicherers Talanx, Wolf-Dieter Baumgartl, in Italien sind recht luxuriös. Dort schreibt der Wulff-Anwalt übrigens, die Ehepaare Wulff und Baumgartl seien "seit mehreren Jahren privat befreundet". Das sieht nicht nach Schulfreundschaft oder außerpolitischer Verbindung aus. Die "Hannoversche Allgemeine" berichtet, die beiden hätten sich 1999 kennengelernt, als die Abwanderung des Versicherungskonzerns aus Niedersachsen nach München drohte und Wulff um den Verbleib in Hannover kämpfte.

Die "Ferienanlage" (Wulff-Anwalt Lehr) des Milliardärs Carsten Maschmeyer auf Mallorca ist eine schlossähnliche Festung auf einem Felsen mit Blick aufs Meer. Immerhin erscheint der Preis von 323 Euro pro Tag, den Wulff begleicht, angemessen. Warum er trotzdem den Urlaub im Nachhinein als Fehler bezeichnete, ist aus der Schrift nicht ersichtlich. Wenn es sich tatsächlich nur um eine dem Anschein nach kommerzielle Ferienanlage handelte, ist ein solches Eingeständnis doch wohl zu weitgehend. Immerhin fällt auf, dass der Milliardär Maschmeyer, der sein Vermögen mit der Vermittlung von Versicherungen verdiente und sich gern auch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gesellschaftlich traf, nicht ausdrücklich zu den engen Freunden gezählt wird.

45.000 Euro für ein Buch

Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass Maschmeyer in Höhe von 45.000 Euro für ein Buch von Wulff warb, ohne es dem Autor zu sagen. Der Anwalt: "Herrn Wulff war von diesen Zahlungen nichts bekannt." Ein kleines Meisterstück in der Verteidigungsschrift für Wulff ist die Behandlung des Nord-Süd-Dialogs. Hier ging es um ein luxuriöses Abendessen mit drei Dutzend Unternehmensvertretern, zu dem die Norddeutsche Landesbank geladen hatte. Wulff-Anwalt Lehr nennt den Dinner-Termin "Teil einer breit angelegten Strategie zur Sicherung der Wirtschafts- und Innovationsstandorte Niedersachsen und Baden-Württemberg". Er verweist auch auf den privaten Charakter der Veranstaltung, wobei die Einwerbung von Sponsoren für das Essen "dem Veranstalter oblag". Dass sein Sprecher laut "Spiegel" womöglich die Geldgeber besorgte und der Veranstalter Wulffs Duzfreund Manfred Schmidt war, verschweigt das Schriftstück.

(RP/csi/jre)
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