FDP-Chef schimpft auf Norbert Röttgen Wutausbruch von Westerwelle
Berlin (RP/RPO). Norbert Röttgen hat mit seiner Grundsympathie für einen schnelleren Atomausstieg für nachhaltige Verärgerung in der Regierungskoalition gesorgt. Am Dienstag stellte FDP-Chef und Vizekanzler Guido Westerwelle den Regierungspartner CDU/CSU im Koalitionsausschuss zur Rede. Ziel seiner Attacke: Norbert Röttgen.
Verärgert beschwerte sich Westerwelle beim Koalitionsfrühstück im Kanzleramt über den Bundesumweltminister. Dessen Äußerungen zum Atomausstieg gäben nicht die Linie der Koalition wieder und könnten nicht in Deckung mit dem gebracht werden, was im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei. Westerwelle habe "ansatzlos losgewütet", zitiert die Süddeutsche Zeitung Sitzungsteilnehmer. Er sei richtig außer sich gewesen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt, auf Seiten der Union sei anschließend mit Blick auf Westerwelle von Anmaßung, Hybris sowie gewaltigen wie konfusen Worten die Rede gewesen.
Röttgen selbst saß nicht mit am Tisch. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) soll ihren Minister gegen die Vorwürfe in Schutz genommen haben. Es sei besser, jetzt nicht über jemanden zu sprechen, der nicht anwesend sei. In Regierungskreisen hieß es, Westerwelle habe mit dieser massiven Kritik die Rückendeckung der CSU erhalten, auch die Hälfte der CDU-Teilnehmer hätte Westerwelles Ausführungen mit Kopfnicken begleitet.
Im Auftrag von Unionsfraktionschef Volker Kauder versuchte sein Geschäftsführer Peter Altmaier, die Wogen zu glätten. Röttgen habe nur die Formulierung im Koalitionsvertrag über die Kernkraft als "Brückentechnologie" wiederholt. Es liege doch nahe, dass es über die Länge dieser Brücke unterschiedliche Auffassungen gebe. Es sei nicht verwunderlich, dass der Umweltminister nicht zu denen gehöre, die die "längste Brücke" bauen wollten.
Gleichwohl entwickelt sich Röttgens Atomausstieg zum Gefühlsthema Nummer eins in der Union. Denn alle Anhänger von Schwarz-Gelb einschließlich Kauder wittern dahinter Lockerungsübungen der Schwarz-Grün-Befürworter. Hinzu kommt, dass Kauder und Röttgen noch alte Rechnungen offen haben. So wurde jetzt daran erinnert, dass nach der Bundestagswahl Bestrebungen liefen, Kauder durch Röttgen an der Spitze der Fraktion zu ersetzen. Diese seien von NRW-Abgeordneten unterstützt und auch von NRW-Regierungschef Jürgen Rüttgers bis hin zu einer Initiative bei der Kanzlerin begleitet worden. Olle Kamellen, hieß es dazu im Rüttgers-Umfeld. Und auch Altmaier beeilte sich mit dem Hinweis, dass Kauder von 98 Prozent aller Unionsabgeordneten als Chef "gewählt und gewünscht" worden sei.
Dennoch sehen Unionsleute das Tischtuch zwischen Kauder und Röttgen zerschnitten. Sie verwiesen darauf, dass Röttgens Zeitplan für die Korrekturen der Solarenergieförderung von Kauders Fraktion umgehend "gedehnt" worden sei.
Die Fraktionsspitze der Union ist auch an anderen Fronten unter Druck. Beim Ankauf der Steuer-CD setzte sich die Kanzlerin über die Bedenken von Kauder und seinem Vertreter, CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich, hinweg. Beim Thema Jobcenter wurden Kauder und Friedrich ebenfalls gedrängt, von der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Linie "keine Verfassungsänderung" abzurücken — Friedrich musste hier von Parteichef Horst Seehofer einiges einstecken. Auch zwischen diesen ist die Stimmung nun äußerst gereizt.
Die SPD kritisierte das Plädoyer des Bundesumweltministers derweil als durchschaubares Manöver. "Röttgen ist ein Atomlobbyist im grünen Mäntelchen", erklärte Parteichef Sigmar Gabriel am Dienstag in Berlin. Er betreibe den Wiedereinstieg in die "Hochrisiko-Technologie Atomkraft". "Sein Versuch, sich einen grünen Anstrich zu geben, ist angesichts der dahin schmelzenden Mehrheit für die Rechtskoalition so durchschaubar wie billig", sagte der frühere SPD-Umweltminister an die Adresse seines Nachfolgers.
mit Agenturmaterial