Ein Beispiel für gescheiterte Integration Zahnarzt + Ausländer = arbeitslos

(RP). Als Mediziner ist Sherif Mikhail hoch qualifiziert. Doch Sherif Mikhail ist auch Kopte und stammt aus Ägypten. Deutsche Behörden erkennen seinen ägyptischen Studienabschluss und seine Facharztausbildung nicht an. Ein Beispiel für gescheiterte Integration – trotz bester Voraussetzungen.

Was man zur Zuwanderung wissen muss
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Foto: RP/Jürgen Laaser

(RP). Als Mediziner ist Sherif Mikhail hoch qualifiziert. Doch Sherif Mikhail ist auch Kopte und stammt aus Ägypten. Deutsche Behörden erkennen seinen ägyptischen Studienabschluss und seine Facharztausbildung nicht an. Ein Beispiel für gescheiterte Integration — trotz bester Voraussetzungen.

Sherif Mikhail wäre das perfekte Beispiel für gelungene Integration. Der Ägypter könnte einer jener Vorzeigeeinwanderer sein, die Politiker als Beleg für erfolgreiche Migrations- und Bildungspolitik ersehnen. Der 43-Jährige sagt Sätze wie "Ich liebe die Demokratie in diesem Land", er ist sehr gut ausgebildet — er will arbeiten.

Aber Sherif Mikhail ist das perfekte Beispiel für träge Migrations- und Bildungspolitik. Denn obwohl Industrie und Wirtschaft über einen Fachkräftemangel klagen, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) deswegen mehr Zuwanderung fordert und eine "Lockprämie" vorschlägt, wird vergessen: Zehntausende, hoch qualifizierte Einwanderer wie Sherif Mikhail sind längst da. Oft fristen sie hier ein Dasein als Niedriglöhner oder Hartz-IV-Empfänger, weil ihre im Ausland erworbenen Abschlüsse nicht anerkannt werden.

Jeder vierte Arbeitslosengeld-II-Bezieher ausländischer Herkunft hat in seiner Heimat einen Berufs- oder Hochschulabschluss erworben, der hier nicht anerkannt wird. Das zeigt eine Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation der Uni Duisburg-Essen. Und die Beschäftigungschancen von Hartz-IV-Beziehern mit einem ausländischen Abschluss, der in Deutschland nicht anerkannt ist, sind ebenso schlecht wie die Chancen von Personen, die keinen Abschluss haben.

Geboren in Kairo, nun im Ruhrgebiet

Deswegen hatte im letzten Jahr Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) erklärt: "Es kann nicht sein, dass hier viele Fachkräfte leben, die in ihrem Beruf nicht arbeiten können, nur weil sie ihren Abschluss im Ausland gemacht haben."

Doch, es kann sein. Einer der Betroffenen ist Sherif Mikhail, geboren in Kairo, gestrandet im Ruhrgebiet. Der Zahnarzt und Oralchirurg findet — kurz gesagt —, dass er gut genug ausgebildet ist, um die Zähne der Menschen zu behandeln. Die Zahnärztekammer findet — kurz gesagt —, dass sein Studium und zwei absolvierte Facharztausbildungen nicht ausreichen, um deutsche Münder zu verarzten. Sherif Mikhail hat fünf Jahre in Ägypten Zahnmedizin studiert, danach arbeitete er fünf Jahre als wissenschaftlicher Assistent an der Uni — und behandelte Patienten.

Während seiner Facharzt-Ausbildung zum Zahnchirurgen hatte er seine eigene Praxis. Als Kopte gehört er in Ägypten zu einer diskriminierten Minderheit. Karriere zu machen oder gar öffentliche Ämter zu besetzen, ist für die Mitglieder dieser christlichen Glaubensgemeinschaft dort sehr schwierig. Deshalb kam er 1998 mit einem Stipendium nach Deutschland, da war er 31. Die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen entschied: Seine ägyptische Ausbildung ist einer deutschen gleichzustellen.

Sherif Mikhail konnte einen Facharzt als Oralchirurg in Lübeck machen. Anschließend promovierte er und behandelte nebenbei Patienten. Doch dann entzog ihm die Zahnärztekammer und der Bezirksregierung 2005 seine Berufserlaubnis. Er klagte, aber das Oberverwaltungsgericht Münster folgte dem Standpunkt der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe: kein deutsches Studium, kein gültiger Abschluss. Der Staat, der Mikhail seine Ausbildung finanzierte, ihn jahrelang hat behandeln lassen, machte ihn arbeitslos und bezahlte ihm Hartz IV.

Zuwanderer nicht herzlich behandelt

Die Industrienation Deutschland behandelt seine schlauesten Zuwanderer nicht allzu herzlich. Seit Jahren warnen Studien, dass der deutschen Wirtschaft bald Hunderttausende gut ausgebildete Fachkräfte fehlen werden. Aber iranische Naturwissenschaftler kellnern in Kneipen, ungarische Ärzte putzen deutsche Wohnungen, weil ihr Abschluss und ihre Berufserfahrung hier nichts wert sind.

Sherif Mikhail hat bei der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe um Unterstützung gebeten, doch, wie er sagt, nur Abwehr erlebt. Er schrieb Briefe an Politiker und erhielt keine Antworten. Erst nachdem eine Zeitung über seine Geschichte berichtete, bekam er eine einjährige Berufserlaubnis und darf seitdem in einer Praxis in Essen behandeln — unter Aufsicht. Sein Gehalt sei niedriger als das anderer Kollegen, er darf keine eigenen Entscheidungen treffen.

"Welche andere Wahl habe ich schon", antwortet er auf die Frage, wie er sich unter der Beobachtung fühlt. Momentan werden seine Zeugnisse von einem Gutachter der Bezirksregierung geprüft. In nächster Zeit wird er erfahren, ob es eine berufliche Zukunft für ihn in Deutschland gibt. Ob er denn keine andere Arbeit ausüben könne? "Ich liebe meinen Beruf, er ist mein Leben", sagt er mit trotziger Stimme und schiebt noch hinterher: "Ich will kein Geld vom Staat bekommen, ich will arbeiten."

(RP)
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