Umstrittenes Verbot des Anti-Islam-Films Zentralrat der Muslime warnt vor Straßenschlachten

Berlin · Die Debatte über ein Vorführverbot des islamfeindlichen Films "Die Unschuld der Muslime" in Deutschland dauert an. Der Vorsitzende des Zentralrat der Muslime, Aiman Mazyek, warnte vor Straßenschlachten infolge einer öffentlichen Aufführung.

Mohammed-Schmähfilm führt zu gewaltsamen Protesten in der islamischen Welt
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Deutschland laufe Gefahr, "dass der öffentliche Frieden dadurch empfindlich gestört wird", sagte Mazyek in den ARD-"Tagesthemen". Es sei vorstellbar, dass Extremisten "hüben wie drüben" Straßenschlachten anzettelten. Mazyek sprach sich wie der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland für ein Verbot aus.

Der Liberal-Islamische Bund lehnte dies dagegen ab. "Je mehr man über ein Verbot redet und die Tabuisierung solcher Inhalte vorantreibt, desto mehr Schaden richtet man an", sagte die Vorsitzende des Verbandes, Lamya Kaddor, der Tageszeitung "taz". Diskussionen über Verbote und Sonderregelungen für Muslime würden die bestehende Islamfeindlichkeit in Deutschland schüren, sagte Kaddor.

Außenminister Guido Westerwelle und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (beide FDP) befürworteten am Dienstag eine gründliche rechtliche Prüfung. Die Meinungsfreiheit sei in Deutschland eines der höchsten Güter, aber nicht grenzenlos, sagte Westerwelle im Deutschlandfunk. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast lehnte ein Verbot unter Verweis auf die Meinungsfreiheit hingegen ab.

Westerwelle sagte, es sei "völlig richtig" zu prüfen, ob es sich bei einer Vorführung um eine strafbare Handlung handele. Deutschland wolle das Signal aussenden, dass "wir ein tolerantes Land bleiben". Das Video habe viele Menschen gekränkt. Die Beschimpfung der Religion sei in Deutschland untersagt, betonte der Außenminister.

Justizministerin skeptisch zu nationalem Verbot

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger verwies in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" darauf, dass eine Aufführung des Films "natürlich" geprüft werden müsse - "etwa unter dem Blickwinkel des Versammlungsrechts, wenn dadurch Sicherheit und Ordnung gefährdet wird". Allerdings beurteilte sie die Wirkung von nationalen Verboten skeptisch: "Rein nationale Entscheidungen können nur begrenzte Wirkung haben."

Forderungen, etwa die Blasphemie-Vorschriften zu verschärfen, wies Leutheusser-Schnarrenberger zurück. Sie sehe "keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf".

Das in den USA produzierte und im Internet ausschnittsweise veröffentlichte Video, in dem der Prophet Mohammed verunglimpft wird, hat in zahlreichen muslimischen Ländern zum Teil gewalttätige antiwestliche Massenproteste ausgelöst. Mehrere Politiker, unter ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), sprachen sich dafür aus, eine öffentliche Aufführung des gesamten Films in Deutschland zu verhindern. Das Bundesinnenministerium prüft derzeit die rechtlichen Möglichkeiten.

Künast sagte im ZDF-"Morgenmagazin", sie sehe "keinen rechtlichen Anhaltspunkt für ein Verbot". Die Meinungsfreiheit in Deutschland sei ein hohes Gut. "Das werfen wir auch nicht einfach weg", fügte die Grünen-Politikerin unter Verweis auf die deutsche Geschichte hinzu. "Unsere Demokratie hält es auch aus, wenn einige Verrückte unmögliche Videos machen", betonte die Grünen-Politikerin. Sie rief dazu auf, gegen eine Aufführung zu demonstrieren.

"Das Video ist es nicht wert"

Ähnlich äußerte sich Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne). "Das Video ist es nicht wert, dass wir das Recht auf freie Meinungsäußerung kaputtmachen", sagte sie der "Thüringer Allgemeinen". Ein Verbot würde "nur die, die diesen Schwachsinn zu verantworten haben, zu Opfern stilisieren".

Berlins Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) rief erneut dazu auf, es der rechtspopulistischen Bewegung "Pro Deutschland" "so unbequem wie möglich" zu machen, das Video vorzuführen. In Berlin habe die Organisation offenbar Schwierigkeiten, einen Kinobetreiber zu finden. Eine Vorführung könne am Ende nicht komplett verhindert werden. "Aber tatenlos zusehen, das wäre auch verkehrt", sagte sie im Inforadio des RBB.

Der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Rudolf Seiters, warnte vor negativen Auswirkungen auf die Arbeit seiner Organisation, sollte das Video in Deutschland aufgeführt werden. Die Arbeit des DRK würde mit Sicherheit beeinträchtigt, wenn dieser "unsägliche und unverantwortliche Film" in Deutschland gezeigt würde, sagte Seiters der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Schwere Unruhen in der islamischen Welt

Derweil hat eine Al-Qaida-Gruppierung in Nordafrika zu Anschlägen auf amerikanische Diplomaten aufgerufen. Die Al Qaida im Islamischen Maghreb begrüßte am Dienstag in einer Stellungnahme den Tod des US-Botschafters in Libyen, Christopher Stevens, der bei einem Angriff auf das amerikanische Konsulat in Bengasi am 11. September ums Leben kam. Die Gruppe drohte mit Anschlägen in Algerien, Tunesien, Marokko und Mauretanien. Auch die Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel mit Sitz im Jemen hatte kürzlich zu Anschlägen auf diplomatische Einrichtungen der USA aufgerufen.

Bei einem offenbar als Vergeltung für den islamfeindlichen Film verübten Selbstmordanschlag sind am Dienstag in Afghanistan mindestens neun Menschen getötet worden. Ziel des Anschlags war ein mit ausländischen Arbeitskräften besetzter Bus in der Hauptstadt Kabul. Der Attentäter steuerte seinen mit Sprengstoff beladenen Wagen in der Nähe des Flughafens in einen Minibus, der die ausländischen Arbeiter zum Flughafen bringen sollte, wie die Polizei erklärte. Zehn Afghanen wurden zudem verletzt.

(APD)
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