"Zukunftstreffen" Die Versöhnung von CDU und CSU fällt aus

Berlin · Aus wahltaktischen Gründen inszenieren die Schwesterparteien am Sonntag ein "Zukunftstreffen" - die Grundausrichtung bleibt auf Kollisionskurs

 Schwieriges Verhältnis: Merkel, Seehofer.

Schwieriges Verhältnis: Merkel, Seehofer.

Foto: dpa, rhi skm fdt

Niemand wird eine Friedenspfeife anzünden, keiner die Versöhnung feiern, wenn die Spitzen von CDU und CSU an diesem Wochenende in München zusammen tagen. "Zukunftstreffen" heißt nun, was seit dem Frühsommer vergangenen Jahres den Schlusspunkt einer mühsamen Wiederannäherung bilden sollte. Doch die Brüche bleiben. Die immer wieder beide Seiten aufwühlenden Auseinandersetzungen um die Ausrichtung der Union sind nicht entschieden, sie werden nicht einmal optisch überkleistert. Mit betont fröhlichem Pfeifen im Wald versuchen CDU und CSU krampfhaft, einfach woanders hinzuschauen.

Mitte Dezember waren sie schon weiter. Seinerzeit beschworen sich CDU und CSU gegenseitig, endlich nicht mehr die eigenen Leute als Hauptgegner anzusehen, sondern sich den Sozialdemokraten und vor allem der rot-rot-grünen "Bedrohung" zu widmen. Doch CSU-Chef Horst Seehofer nahm den Berliner Weihnachtsmarktanschlag bereits am folgenden Vormittag zum Anlass für die neuerliche Forderung, die "gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik zu überdenken", was die alte Gegnerschaft zwischen CDU und CSU wiederbelebte. Als etliche CDU-Spitzenpolitiker prompt Seehofer attackierten, stellte der umgehend das Versöhnungstreffen wieder in Frage.

Auswirkungen der Martin-Schulz-Begeisterung in der SPD

Noch bei der CSU-Landesgruppenklausur Anfang des Jahres verlangte er, vor einem Treffen erst die Streitthemen zu klären. Letztes Wochenende versuchten das CDU-Chefin Angela Merkel und Seehofer erneut, gaben anschließend grünes Licht für das Treffen und ließen ihre Generalsekretäre an einem gemeinsamen Papier arbeiten. Das soll es nun Sonntag als Tischvorlage geben - aber immer noch keine endgültige Klärung sein. Es handele sich lediglich um den Start für eine intensive Beschäftigung auf verschiedenen Fachgebieten, die dann in ein gemeinsames Wahlprogramm der Union und in einen eigenen Bayernplan der CSU münden solle, erläuterte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Doch die sechs Themenkonferenzen, auf denen sie Gemeinsamkeiten herausarbeiten wollten, haben CDU und CSU längst hinter sich. Sie müssten jetzt also eigentlich abschließen können. Tatsächlich aber haben die Außenpolitiker die Formulierungen zur Außenpolitik nicht gesehen, die Innenpolitiker nicht die zur Innenpolitik, die Finanzpolitiker nicht die zu den Finanzen.

Völlig ungewohnt sind für die Union die Auswirkungen der Martin-Schulz-Begeisterung in der SPD. Wenn nun in der animierten Umfragegrafik der rote am schwarzen Balken vorbeizieht, erhöht das die Entschlossenheit der Union, schnellstmöglich auf Wahlkampfmodus umzuschalten. So holzte gestern bereits der CDU-Agrarpolitiker Franz-Josef Holzenkamp gegen die SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks, der er "fachliche Inkompetenz" per Presseerklärung unterstellte - nicht die feine Art der Kommunikation in einer Koalition.

Querschüsse auf die eigenen Unionsreihen sollen - anders als in den mit CDU-Debakeln endenden Wahlen im vergangenen Jahr - bei den bevorstehenden Landtagswahlen vermieden werden. Das Ihre trägt die CSU dazu bei: Seehofer will nicht nur selbst für Wahlkampfauftritte auch in NRW zur Verfügung stehen, er lässt auch seinen von der CDU-Linie abweichenden Bayernplan erst nach der Landtagswahlserie beschließen.

Streit um Obergrenze

Dabei geht es längst nicht nur um die Frage, ob die Flüchtlingszahl "begrenzt" (Merkel) oder per "Obergrenze" (Seehofer) reguliert werden soll. Es geht um den seit September 2015, dem Moment einer vermeintlichen Grenzöffnung, laufenden Versuch der CSU, die CDU zu drehen. Was aus Bundessicht wie der Versuch anmutet, als wolle da der Schwanz mit dem Hund wedeln, ist aus bajuwarischer Perspektive eine Frage der Überlebensfähigkeit für die gesamte Union. CSU-Strategen verweisen auf weit verbreitete Ängste in der Bevölkerung, verbunden mit wachsenden Zweifeln, ob die Politik die Probleme noch lösen kann. Seehofer selbst lieferte dafür das Schlüsseldokument, indem er einen "Kontrollverlust" attestierte. Dieses Gefühl macht nach CSU-Lesart immer mehr Menschen anfällig für scheinbar einfache Alternativen. Die Christsozialen reagieren darauf, wie es eine auf absolute Mehrheiten fixierte Partei stets tut: Sie versuchen, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen.

CSU-Wahlkämpfer müssen also weiterhin die Anti-Merkel-Stimmung bedienen und zugleich für die Wiederwahl der Kanzlerin werben. Damit bleibt die CSU der CDU als ständiges Risiko erhalten.

(may-)
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