Dresden Die AfD feiert sich in Sachsen selbst

Dresden · Doch die CDU steht einer Koalition mit den Euro-Skeptikern kritisch gegenüber. Die Linkspartei muss wieder in die Opposition.

Dunkle Regenwolken über "Elbflorenz"; letzter Sommerferientag in Sachsens Landeshauptstadt Dresden. Stanislaw Tillich, Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, war bereits um 8.30 Uhr ins Wahllokal in seinem Heimatdorf Panschwitz-Kuckau in der Oberlausitz gekommen, vorgefahren in einem kleinen Auto, mit Ehefrau Veronika an seiner Seite und einem Regenschirm über dem eisgrauen Schopf. Neuneinhalb Stunden später kann Tillich vom Landtagsgebäude hinter der Semperoper über die Elbe auf seinen Dienstsitz mit der goldenen Krone auf dem Dach blicken - mit Genugtuung, denn die Wähler wollen ihn weitere fünf Jahre in der Staatskanzlei regieren sehen.

Dass sie seine CDU-Bäume nicht in den Himmel wachsen ließen, hielt Tillich nicht davon ab, von einem "Super-Ergebnis" zu sprechen. CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer formulierte verhaltener: "Ordentliches Ergebnis." Schnell wurde klar, dass nicht wenige CDUler heimlich auf eine absolute Mehrheit wie zu "König Kurt" Biedenkopfs Zeiten gehofft hatten. "Hätte, hätte", meinte ein Christdemokrat mit einem "Radeberger"-Pils in der Hand. "Wir sind doppelt so stark wie die Zweitplatzierten der Linken, ist ja auch nicht ganz schlecht, oder?"

Das Ehepaar Bentel aus Bautzen, das nachmittags an einem Café nahe der Frauenkirche Ausschau nach zwei freien Plätzen hielt, sagte das, was laut Umfragen seit Wochen mehr als 65 Prozent der 3,4 Millionen Wahlberechtigten dachten: "Tillich soll weitermachen und wird weitermachen, das ist klar wie Kloßbrühe."

Der Popularitätsabstand des Ministerpräsidenten zu seinen Konkurrenten von Linkspartei, SPD und Grünen blieb bis zum Wahltag gewaltig - rund 40 Prozentpunkte. Dennoch zeigte der Wahlabend am Beispiel des FDP-Vorsitzenden: Popularität ist nicht alles, denn FDP-Matador Holger Zastrow musste sich trotz großer Bekanntheit in Sachsen geschlagen geben. Die FDP hatte zum Schluss Plakate kleben lassen, auf denen eine hübsche junge Frau bekundet, sie sei "verliebt in Sachsen". Darauf angesprochen, meinte ein junger Liberaler sarkastisch: "Der Wähler erwiderte unsere Liebe nicht." Unter den bitter enttäuschten Liberalen macht ein trotziger Spruch ihres Vorsitzenden die Abendrunde: "Eines verlieren wir nicht, unsere Ehre." Dann rief Zastrow: "Auf Wiedersehen, wir kommen wieder."

Frauke Petry, die Spitzenfrau der neuen konservativen Partei AfD, eilte bereits 90 Minuten vor der 18-Uhr-Prognose im Landtag von einem TV-Stand zum anderen. Sehr gefragt, die zierliche Chemikerin und vierfache Mutter, die wie Tillich ebenfalls eine Siegerin der Sachsen-Wahl ist und auch so auftrat - sogar schon vor der gefestigten Hochrechnung. Die AfD zum ersten Mal in einem Landesparlament - Petry ließ in keinem ihrer Interviews in Serie Zweifel daran, dass der Erfolg nicht nur viele Väter, sondern vor allem auch eine Mutter hatte, nämlich sie. Petry hielt einen blauen Strauß vor ihr blaues Top unter dunkler Jacke und jubelte mit ihren Anhängern: "Die AfD ist in Sachsen und sie ist in Deutschland angekommen."

CDU-Landesfinanzminister Georg Umland deutete ebenso wie sein Chef Tillich an, dass eine rechnerisch mögliche CDU/AfD-Koalition nicht wirklich gewollt wird. Umland: "Es ist zu schwierig, die AfD politisch einzuschätzen." Tillich gab die Marschroute für Koalitions-Sondierungen vor, indem er kundtat: "Ich kann mit Grünen und mit der SPD reden, über die AfD verliere ich, so wie im Wahlkampf auch, nicht viele Worte."

Enttäuschung war bei der Linkspartei und ihrem Spitzenmann Rico Gebhardt spürbar: zwar zweitstärkste Partei, aber nur wieder Oppositionsbänke in Sicht, mit leichten Verlusten zudem. Man sah viele Linke früh am Abend mit Weingläsern herumstehen. Erfahrungsgemäß ist das ein Zeichen an Wahlabenden, dass man einen kleinen Trost bei Freund Alkohol suchte und fand.

Die Grünen, ebenfalls nicht zufrieden, maulten über den Wahltermin am Ferienende und den Wahlkampf mitten in der Urlaubszeit. Das habe die CDU zu verantworten. Die SPD wollte eigentlich zünftig feiern, es krachen lassen nach den Demütigungen bei den vergangenen Sachsen-Wahlen mit jeweils bloß zehn Prozent. Man traf sich in einem Hotel nahe beim Landtag und löffelte unter anderem sächsische Kartoffelsuppe. Sie schmeckte "gestreckt", wie Hausfrauen sagen. Gestreckt auf 15 plus X hätte sich SPD-Spitzenkandidat Martin Dulig, der morgens mit Ehefrau und fünf von sechs Kindern zum Wählen gegangen war, das Resultat gewünscht. Das ging schief. Dusig, ein Maurer mit Abitur, blieb deshalb bescheiden: "Man wünscht sich immer mehr, aber wir kommen immerhin Schritt für Schritt voran." Sieger Tillich stand nahe dabei und schmunzelte. Später meinte ein SPD-Abgeordneter aus Chemnitz ohne Zeichen von echter Begeisterung: "Schrittweise werden wir wohl auch zur großen Koalition hier in Dresden kommen."

(RP)
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