Berlin Die AfD triumphiert als drittstärkste Kraft im Bundestag

Berlin · Es ist der Silvestermoment der AfD. Sie rufen laut den Countdown, die letzten Sekunden vor 18 Uhr. Hunderte Journalisten und AfDler quetschen sich vor die Leinwand, die ihr Schicksal gleich abbilden wird. Fünf, vier, drei, zwei, eins - Applaus. 34 Prozent für die CDU, großes Gelächter, 21 für die SPD, noch mehr Häme. 13 Prozent AfD - die AfDler kennen kein Halten mehr. Alles weitere geht im Jubel unter, ein blauer AfD-Luftballonregen fällt von der Decke, eine neue Ära beginnt. Die AfD zieht mit einem großen Knall in den Bundestag ein - als drittstärkste Kraft.

Als sich die Jubelnden kurz beruhigen, greift Alexander Gauland zum Mikrofon: "Wir haben es geschafft", ruft der AfD-Spitzenkandidat, "wir werden das Land verändern!" Die Menge applaudiert "AfD - AfD - AfD!" Die Regierung könne sich warm anziehen, heizt Gauland die Stimmung an, "wir werden Frau Merkel jagen!" Endlich gebe es wieder eine Oppositionspartei in Deutschland, behauptet Gauland, die Regierung werde man ordentlich vor sich hertreiben. "Aber der Kampf ist noch nicht vorbei", sagt Gauland und warnt seine Parteikollegen: keine Kommentare, keine Provokationen beim Feiern in der Stadt heute Abend - und auch künftig bitte keine Sprüche, die der Partei auf die Füße fallen könnten.

Auch Beatrix von Storch, die nach ihm redet, ruft eindringlich zu Gelassenheit auf. Die AfD trage jetzt eine große Verantwortung, "und der müssen wir klar und sachlich nachkommen", sagt die AfD-Vizechefin. Dennoch wolle man die Debattenkultur im Bundestag wieder ganz neu beleben "und gegen linke Spinner ganz harte Politik betreiben", verkündet von Storch unter großem Applaus - während sich draußen Gegenprotest sammelt. Der kleine Club, den die AfD für ihre Wahlparty gemietet hatte, liegt immerhin direkt am Alexanderplatz mit Blick auf den Fernsehturm und ist umringt von Polizeiabsperrungen. Auf der Dachterrasse feiert die AfD, unten pfeifen ihre Gegner. "Rassisten raus aus Deutschland", lauten die Sprechchöre der Demonstranten.

Doch erst mal heißt es für die AfD: rein in den Bundestag, nach ersten Schätzungen mit über 90 Abgeordneten. Rund zehn Kandidaten aus NRW werden darunter sein, nach Berlin ist an diesem Abend nur einer der künftigen Abgeordneten gereist, zusammen mit elf Landeskollegen. Die übrigen wollten sich lieber als Wahlbeobachter in den Lokalen umsehen und sich in ihrer Düsseldorfer Parteizentrale treffen.

Stefan Keuter aus Essen, NRW-Listenplatz elf und damit relativ sicher im Bundestag, spricht an diesem Abend in Berlin von einem grandiosen Ergebnis. "Das ist ein Erdrutschsieg", sagt Keuter und holt sich erst einmal ein Bier. Das Ergebnis habe ihn aber nicht überrascht, "das ist genau die Stimmung gegen Merkel, die wir auf den Straßen erlebt haben, das spiegelt sich jetzt wider".

Tatsächlich geht nach ersten Hochrechnungen ein Großteil der Stimmen für die AfD zulasten der Union: Mehr als eine Million Wähler sind demnach von CDU und CSU zur AfD gewandert, die SPD hat rund 470.000 Wähler an die Rechts-Partei verloren, die Linke 400.000. Die meisten Stimmen habe die AfD aber mit 1,2 Millionen von bisherigen Nichtwählern erhalten. Im Osten Deutschlands ist sie gar zweitstärkste Kraft nach der Union. Parteichefin Frauke Petry twitterte dazu ein Zitat von Gandhi: "Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich, und dann gewinnst du."

(jra)
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