Berlin Die AfD will Migranten ausbürgern können

Berlin · Erzwungene Staatenlosigkeit verbietet das Grundgesetz. Frauke Petry will das ändern - so steht es im Programmentwurf ihrer Partei.

Schon in den aufgeregten Flüchtlingsdebatten schimmerte bisweilen eine originelle Nähe zwischen Linken wie Sahra Wagenknecht und AfD-Größen wie Alexander Gauland durch. Nun dürften die Wahlkämpfer von Union, SPD, Grünen und FDP auch programmatisch ähnliche Stoßrichtungen erkennen. So sind die fantastischen Vorstellungen zur Umgestaltung der Staatsfinanzen kein Vorrecht der Linken mehr: Die AfD will die Einnahmen senken, die Ausgaben erhöhen und dabei mehr Schulden zurückzahlen.

Wenn der Vorstandsentwurf des Leitantrages, den die Parteispitze gestern vorstellte, Ende April vom Parteitag so angenommen wird, sieht die AfD eine gesetzlich fixierte Obergrenze für Steuern und Abgaben von 40 Prozent vor, hält sie auch ein Gesetz zur vorgeschriebenen Schuldentilgung für nötig, will sie die Erbschaftsteuer abschaffen, die Familien massiv entlasten, den Verteidigungsetat von 37 auf 60 Milliarden hochfahren, die Demografiefaktoren in der Rente mehr steuerlich finanzieren, zudem das Arbeitslosengeld ausbauen und an vielen weiteren Stellen umbauen. Die Frage nach der Finanzierbarkeit ist für Jörg Meuthen ganz einfach zu beantworten. "Wir schwimmen doch im Geld", meint der AfD-Vorsitzende. Da könne man den Menschen doch ruhig etwas zurückgeben.

Viele Monate hätten viele Menschen zusammengesessen, um das AfD-Wahlprogramm aufzuschreiben, erläutert Albrecht Glaser. Elf Arbeitsgruppen mit 330 Mitgliedern hätten sich damit beschäftigt, so dass das Ergebnis "aus dem Schoß der Partei" komme. In diesem Schoß steckt ein sehr eigentümliches Bild von Deutschland. Obwohl die AfD in mehreren demokratischen Wahlen in die Länderparlamente einzog und sich nun anschickt, mit einer großen Fraktion auch im Bundestag Politik zu machen, stellt sie an den Anfang ihres Programms den Befund, dass die Demokratie in der Bundesrepublik erst noch "wiederhergestellt" werden müsse.

Volksentscheide nach Schweizer Vorbild stehen ganz oben im Forderungskatalog. Deren zum Teil sehr geringe Wählerbeteiligung dient der AfD als Orientierungspunkt für die Beteiligung von Mitgliedern an einer Befragung zur künftigen Programmatik. Auf 23.445 Einladungen, an den Forderungen mitzuwirken, hätten 6385 Mitglieder reagiert. Diese Quote von 27,2 Prozent findet die AfD hoch.

Herausgekommen sind relativ klare Aussagen. 65 Prozent votierten dafür, dass Deutschland aus der EU austrete, wenn die Gemeinschaft nicht im Sinne der AfD reformiert werden könne, weniger als zehn Prozent wollten in der EU bleiben. Und so steht es nun auch in der Kurzfassung des Entwurfs. In der Langfassung sind ein paar Konditionalsätze mehr eingebaut. Noch eindeutiger fiel die Forderung nach einem Austritt aus dem Euro aus: 82 Prozent wollten das, und genauso eindeutig steht es auch im Programm-Entwurf.

Die höchste Wahrnehmbarkeit will die Partei jedoch auf dem Feld erreichen, das sie in Folge der Flüchtlingsdynamik groß gemacht hat: in der Positionierung gegen Asyl, Massenflucht und Islam. "Islamische Herrschaftszeichen" wie das Minarett oder den Muezzin-Ruf lehnt die Partei ab, und an deutschen Schulen sollte es ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen und Schülerinnen nach französischem Vorbild geben. Wenn Parteien wie die CSU eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr fordern, findet die AfD eine neue Formel, um darüber deutlich hinauszugehen: Sie will eine "Minuszuwanderung von mindestens 200.000 Personen pro Jahr".

Und über Tabus des deutschen Verfassungsrechts marschiert die AfD auch hinweg. Das weltweit einmalige deutsche Asylrecht gehöre abgeschafft, und wenn ein Migrant kriminell werde, müsse er ausgebürgert und abgeschoben werden, auch wenn er dann staatenlos werde. Will die AfD damit an einschlägige Praktiken im nationalsozialistischen Deutschland und in der sozialistischen DDR anknüpfen? Parteichefin Frauke Petry winkt ab: Das müsse man ihr nicht erzählen, sie habe das in der DDR selbst erlebt und sei staatenlos geworden. Zweifel an ihrer Darstellung wischt sie beiseite: In ihrem Fall stimme es nicht, dass jeder ausgebürgerte DDR-Bürger die deutsche Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik gehabt habe. Kopfschütteln unter früheren DDR-Bürgern.

Viele Forderungen orientieren sich an einer "Ausländer raus"-Dynamik, zum Beispiel die, ausländische Straftäter in von Deutschen betriebenen Gefängnissen im Ausland unterzubringen. Vieles liest sich im Kleingedruckten anders als in den plakativen Ankündigungen. So will die AfD etwa ihr Nein zur doppelten Staatsbürgerschaft so verstanden wissen, dass diese auf begründete Ausnahmen beschränkt bleibt.

(may-)
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