SPD-Generalsekretärin Katarina Barley "Die CSU sabotiert die Regierung"

Berlin · SPD-Generalsekretärin Katarina Barley über den Streit in der Union, Malu Dreyer als Ministerpräsidentin und den Umgang mit der AfD.

 Katharina Barley ist Generalsekretärin der SPD.

Katharina Barley ist Generalsekretärin der SPD.

Foto: dpa

Frau Barley, was halten Sie von der Idee Ihres Fraktionschefs Thomas Oppermann, einfach ohne die CSU weiterzuregieren?

Barley Da wäre ich sofort dabei. Die Menschen haben doch längst die Nase voll von den ewigen Querschüssen aus Bayern, übrigens nicht nur in der Asylpolitik. Die CSU sabotiert systematisch die Regierungsarbeit auf Bundesebene.

Halten Sie das ernsthaft für realistisch?

Barley Ich bin Realistin, die CSU wird die Regierung wohl kaum verlassen. Aber falls Seehofer wirklich gegen die Kanzlerin vor das Verfassungsgericht zieht, wird es ernst. Dann muss sich die CSU-Landesgruppe im Bundestag entscheiden, zu wem sie hält: Zur Regierung und zur Kanzlerin oder zur Partei. Eine solche Klage wäre ein offenes Misstrauensvotum, mit dem die Union im Bund nicht einfach weitermachen könnte wie bisher.

Belastet der Streit in der Union auch die tägliche Zusammenarbeit in der Regierung?

Barley Sicherlich ist die Zusammenarbeit zwischen den Ministerien nicht leichter geworden. Wir wissen ja teilweise nicht mehr, auf wen wir uns bei der Union noch verlassen können.

Wie wollen Sie bei all dem Streit Ihre Forderungen etwa zu weiteren Ausgaben für Integration durchsetzen?

Barley Um die vielen Flüchtlinge mit Bleibeperspektive in Gesellschaft und Arbeitsmarkt einbinden zu können, brauchen wir künftig zwischen drei und fünf Milliarden Euro jährlich. Ohne diese zusätzlichen Investitionen wird die SPD dem Bundeshaushalt 2017 nicht zustimmen. Darauf werden wir in den laufenden Haushaltsverhandlungen pochen. Die schwarze Null darf kein Dogma sein - die Haushaltsüberschüsse in der Kasse des Finanzministers lassen das aber auch zu. Das Geld benötigen wir für Einstiegsprogramme in den Arbeitsmarkt, für Sprachkurse, aber auch für den Wohnungsbau sowie für Schulen und Kitas. Das sind im Übrigen Investitionen, die der großen Mehrheit in unserem Land zugutekommen.

Für die SPD steht in Rheinland-Pfalz viel auf dem Spiel. Ärgert es Sie, dass CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner mit ihrem Anti-Merkel-Kurs der SPD gefährlich wird?

Barley Malu Dreyer ist eine exzellente Ministerpräsidentin für Rheinland-Pfalz. Klöckner im Regierungsamt wäre Gift für das Land. Noch vor wenigen Monaten hat sie Obergrenzen für Flüchtlinge als inhuman abgelehnt, jetzt fordert sie Tageskontingente mit eingebauten Obergrenzen. Da kommt doch niemand mehr mit. Im Wahlkampf stellt sie sich mit der Bundeskanzlerin auf die Bühne, nur um ihr dann tags darauf in den Rücken zu fallen. Julia Klöckner ist angesichts der fallenden Umfragewerte für die CDU offenbar in heller Panik. Die Rheinland-Pfälzer schätzen aber Verlässlichkeit und Vertrauen. Malu Dreyer hat eine klare Haltung und Substanz. Bei ihr weiß man, woran man ist.

In Sachsen-Anhalt könnte die AfD die SPD überholen. Was sagt das über die politische Kultur in Deutschland aus?

Barley Wir erleben insgesamt, dass das Parteienspektrum stark durcheinandergewirbelt wird. Die AfD ist eine große Gefahr für unsere Demokratie, weil sie von vielen Leuten als ganz normale Partei wahrgenommen wird. Damit kommt sie besser weg als NPD und Republikaner. Am Ende hat sie aber dieselben Ziele wie die Rechtsradikalen, und teils gibt es ja auch personelle Verschränkungen.

Was ist also Ihr Rezept für den Umgang mit AfD-Vertretern?

Barley Es nützt nichts, nur mit dem Finger auf die AfD zu zeigen und sie zu diskreditieren. Im Zweifel beschert ihr das noch mehr Zulauf. Stattdessen sollte jeder einzelne demokratisch denkende Bürger gegen die Ideologie der AfD seine Stimme erheben. Die Debatte um den Schießbefehl hat gezeigt, dass das die größte Wirkung hat. Wenn sie die Maske fallen lässt, bringt sich die AfD selbst in Misskredit.

Die Vorfälle in Sachsen offenbaren doch aber, dass rechtsextremes Gedankengut tief verwurzelt ist im Land.

Barley Studien zeigen, dass es in Deutschland schon seit Jahrzehnten eine Minderheit mit rechtsextremer Weltanschauung gibt. Es war aber immer gesellschaftlich verpönt, diese auch offen zu zeigen. In Sachsen haben manche Leute jetzt aber keine Hemmungen mehr, eine rechtsextreme Gesinnung offen zur Schau zu stellen. Dort glauben Teile der Bevölkerung, sie dürften straflos vor brennenden Häusern applaudieren oder geflohenen Kindern Angst einjagen. Die Landesregierung muss sich fragen, was sie falsch macht und ihren Kurs korrigieren. Herr Tillich scheint bis heute nicht verstanden zu haben, dass er Rechtsradikale zu lange hat gewähren lassen. Er muss jetzt endlich entschlossen gegen den Rechtsradikalismus in seinem Land vorgehen. Andere ostdeutsche Bundesländer haben ähnliche Tendenzen viel erfolgreicher bekämpft.

Sie sind in turbulenten Zeiten als Generalsekretärin der SPD ernannt worden. Wie wollen Sie für mehr Geschlossenheit in der Partei sorgen?

Barley Meine Partei nehme ich als sehr geschlossen wahr. Das kann ich von der Union aktuell nicht behaupten.

Knapp 75 Prozent Zustimmung für den Parteichef sprechen dagegen.

Barley Sigmar Gabriel hat in seiner Parteitagsrede wirklich jedes heiße Eisen in der SPD angepackt und auch zu unbequemen Themen klar Position bezogen. Das Ergebnis hat das auch widergespiegelt. Am Ende wussten aber alle, woran sie bei ihm sind.

Verstehen Sie sich gut mit ihm?

Barley Sigmar Gabriel und ich arbeiten sehr gut zusammen. Wir diskutieren viel, sprechen offen und häufig miteinander. Natürlich sind wir dabei nicht immer einer Meinung - aber alles andere wäre ja auch langweilig. Wichtig ist, dass man am Ende immer an einem Strang zieht. Und das tun wir.

JAN DREBES UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

(qua / jd)
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