Analyse Die erste syrische Teilung

Moskau/Damaskus · Russland und die Türkei bestimmen über die Zukunft Syriens und seines Machthabers Baschar al Assad. Dessen Tage an der Macht dürften allerdings gezählt sein. Indem es in den syrischen Bürgerkrieg eingriff, hat Moskau das Machtgefüge der ganzen Region verändert.

Geht der Bürgerkrieg in Syrien endlich zu Ende? Ist bald Schluss mit Tod und Vertreibung, mit Zerstörung und dem gnadenlosen Streit um die Macht in Damaskus? Seit fünf Jahren dauert der Konflikt an, dessen Ausläufer in Form von Flüchtlingsströmen bis weit in die Länder der Europäischen Union reichen. Es wäre für die geplagten Menschen vor Ort zu hoffen, dass die Waffen ruhen und ein sicheres Leben und der Wiederaufbau Syriens wieder möglich werden.

Gestern haben Russland und die Türkei angekündigt, dass von heute an die Waffen schweigen werden. In Moskau kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, sein Land werde zusammen mit der Türkei die Einhaltung der Waffenruhe garantieren. Friedensgespräche zwischen den syrischen Konfliktparteien sollten in der kasachischen Hauptstadt Astana folgen. Doch ein Datum und der endgültige Teilnehmerkreis stehen nicht fest. Der Kreml-Chef versprach, die russische Militärpräsenz in Syrien abzubauen. Ab wann und um wie viel blieb offen.

Sicherlich lässt sich Frieden durch Verhandlungen schaffen. Doch dann müssen alle Beteiligten guten Willens sein. Sie müssten am Friedensplan mitstricken, sie dürfen sich am Ende nicht betrogen fühlen. Schon jetzt sind nach dem Willen Moskaus und Ankaras die vom UN-Sicherheitsrat als Terrorgruppen eingestuften Verbände von der Waffenruhe ausgenommen. Das deutet auf weitere Kämpfe hin.

Die Zukunft Syriens sieht düster aus. Politisch ist mit einer Teilung des Landes in Interessengebiete und Einflusszonen zu rechnen. Noch-Machthaber Baschar al Assad wird eine Übergangszeit wohl toleriert werden, dann aber für einen glaubwürdigen Neubeginn "geopfert" oder endlich abgelöst werden - je nach politischer Lesart.

Bislang hatten die Türken vor einer Friedenslösung die sofortige Ablösung des Diktators gefordert. Russland als Assad-Verbündeter hatte dem stets widersprochen. Durch das militärische Eingreifen Moskaus zugunsten Assads hat sich auch das politisch-militärische Gefüge im Nahen und Mittleren Osten verändert. Russland hat durch sein Syrien-Engagement in der Region Fuß gefasst und wird sich bei der künftigen Interessenaufteilung nicht ausgrenzen lassen. Das muss auch Israel bei seiner weiteren Auseinandersetzung mit den Palästinensern zu denken geben.

Diktator Assad mag noch von der territorialen Einheit seines Landes träumen, die Rückeroberung von Gebieten und Städten, die vom sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrolliert wurden, war nur mit russischer Hilfe möglich. Auch Assads Kampf gegen die zahlreichen Rebellengruppen, die ihn lieber heute als morgen aus Damaskus vertrieben sehen wollen, beanspruchen eigene Machtbereiche.

Die Kurden haben erfolgreich den IS bekämpft. Sie beherrschen den größten Teil der Grenzregion zur Türkei. Ihre Kriegsrendite sehen sie mindestens in einem Autonomiegebiet. Doch genau das wollen die Türken verhindern. Sie sehen dort die verbotene Kurdenmiliz PKK am Werk und fürchten in Zukunft in der Grenzregion einen eigenen Kurdenstaat, der bis auf türkisches Gebiet überstrahlen könnte. Die gemäßigten Kurden waren und sind aber ein wichtiger Partner des Westens im Kampf gegen den IS. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu erklärte gestern in Ankara, die Kurdenmilizen dürften aber zu den Friedensgesprächen in Astana gar nicht erst eingeladen werden.

Der Kampf des Westens gegen den IS wird von einer internationalen Koalition unter Führung der USA. Täglich werden Angriffe auf IS-Stellungen - vornehmlich von den USA, Großbritannien und Frankreich - geflogen. Auch Deutschland ist dort engagiert mit sechs Tornados für Aufklärungsflüge. Unklar ist, ob sich die angekündigte Waffenruhe auf das westliche Engagement auswirken wird.

Bliebe noch der Iran als eine der wichtigsten Mächte der Region. Das Regime ist eines der stabilsten Stützen für Baschar al Assad. Iranische Revolutionsgarden sind seit langem als Militärberater in Syrien tätig. Der schiitische Iran unterstützt seit Jahren mit Waffen und Geld die schiitische Hisbollah-Miliz beim syrischen Nachbarn Libanon. Im Krieg gegen die Aufständischen kämpften die Milizen für Assad. Schwer einzuschätzen ist, ob und zu welchem politischen Preis das Mullah-Regime in Teheran seinen Einfluss in Syrien reduzieren wird.

Und dann wäre da noch Saudi-Arabien. Die Saudis haben bislang die Rebellen gegen Assad gestützt. Sie wollen dessen Sturz befördern. Der Grund liegt auf der Hand: Nur durch den Sturz des syrischen Machthabers lässt sich der Einfluss Teherans in der Region eindämmen.

Wer von all den Protagonisten soll an einer Friedenskonferenz über die Zukunft Syriens teilnehmen? Russlands Chefdiplomat und Außenminister Sergej Lawrow meinte gestern, der künftige amerikanische Präsident Donald Trump sei willkommen, in den syrischen Friedensprozess unter russischer Vermittlung einzutreten.

(RP)
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