Mcallen Die Flüchtlinge vom Rio Grande

Mcallen · In der Hoffnung auf ein besseres Leben in den USA fliehen Tausende Minderjährige aus Mittelamerika in den Süden der Vereinigten Staaten.

Plötzlich sind die Zäune da. Fast über Nacht haben Bauarbeiter die leerstehende Lagerhalle im texanischen McAllen in ein Flüchtlingslager für Kinder aus Mittelamerika verwandelt und die 5000 Quadratmeter Fläche mit hohem Maschendraht durchzogen. Auf Fotos erinnern die Parzellen an Hundezwinger. Es gibt mobile Toiletten, Schlafmatten und Fernseher. Rund 1000 Kinder sollen hier bald Platz haben.

Mit ihrem neuen Bearbeitungszentrum versucht die hoffnungslos überforderte Grenzbehörde CBP, den massenhaft in die USA strömenden Kindermigranten eine Übergangsbleibe zu schaffen. Mehr als 57 000 unbegleitete Kinder, die meistens aus Guatemala, El Salvador und Honduras kommen, erreichten die Grenze im Süden der USA seit Oktober 2013, bis Ende September dürften es nach offiziellen Schätzungen rund 90 000 sein. Die Kinder fliehen vor Gewalt, um in den USA Geld zu verdienen oder weil sie ihren Eltern folgen. Täglich lesen Grenzpolizisten allein im Rio Grande Valley in Texas Hunderte Kinder auf, die die lebensgefährliche Reise durch Mexiko auf sich genommen haben. Die meisten werden von Schleusern über den Grenzfluss Rio Grande in die USA geschmuggelt.

In den USA ist indes längst ein Streit um die Unterbringung der Kinder zwischen der Regierung, den betroffenen Bundesstaaten und deren Bürgern ausgebrochen. Bis ins ferne Neuengland sucht die US-Regierung nach Notunterkünften und bittet inständig um Mithilfe. Verzweifelt wandte sich die Katastrophenschutzbehörde Fema auf der Suche nach Schlafplätzen nun an Interessenverbände im ganzen Land, berichtete die Zeitung "New Republic". Geeignet seien Büros, Schlafsäle, Veranstaltungsräume, Großmärkte, Flugzeughangars, Einkaufszentren - solange sie leer stehen und gepachtet werden können, heißt es im Fema-Schreiben.

Für demokratische Gouverneure ist die humanitäre Krise zum politischen Drahtseilakt geworden. Einerseits wollen sie ihrem Parteikollegen, Präsident Barack Obama, unter die Arme greifen. Andererseits stoßen sie aufgebrachte Wähler vor den Kopf, die fürchten, dass die vielen Kinder das oft schon marode Sozialsystem ihrer Gemeinden belasten werden. Deval Patrick, Gouverneur von Massachusetts, konnte seine Tränen nur schwer unterdrücken, als er den Streit um die Aufnahme der Kinder mit einer ähnlichen Debatte um Opfer des Holocausts verglich. 1939 habe ein Schiff voller jüdischer Kinder vergeblich versucht, in die USA zu kommen. "Die Vereinigten Staaten wiesen sie ab, und viele von ihnen kamen in Nazi-Konzentrationslagern zu Tode."

Als der Gouverneur von Connecticut, Dan Malloy, vergangene Woche eine Anfrage ablehnte, bis zu 2000 Kinder unterzubringen, bat ihn eine Kommission für Latinos und Puerto-Ricaner, die Entscheidung zu überdenken. Mehrere Kommissionsmitglieder brachen vor Verzweiflung in Tränen aus, berichtete die "Washington Post".

Um 3,7 Milliarden Dollar (2,7 Milliarden Euro) hat Obama den Kongress bereits gebeten. Knapp die Hälfte soll für Unterkunft und Pflege der Kinder verwendet werden. Mit den Präsidenten von Guatemala, Honduras und El Salvador - Otto Pérez Molina, Juan Orlando Hernández und Salvador Sánchez Cerén - traf Obama sich gestern, um über die mögliche Abschiebung der Kinder zu sprechen.

Für Honduras stellte Obama ein "kleines Pilotprogramm" in Aussicht. Hunderte Kinder könnten wegen der Gewalt in dem zentralamerikanischen Staat aus humanitären Gründen als Flüchtlinge aufgenommen werden, berichtete die "New York Times" unter Berufung auf einen entsprechenden Entwurf. So könne die gefährliche Reise mit den Schlepperbanden unterbunden werden. Der mexikanische Präsidenten Enrique Peña Nieto erklärte zudem, dass sein Land gegen die kriminellen Schlepperbanden vorgehen werde.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort