Kolumne Gott und Die Welt Die heilsame Ruhe nach dem Sturm

Wenn die Schäden gesichtet sind, beginnt das Aufräumen. Das ist eine hilfreiche Phase - auch für die Gesellschaft. Sie wird rücksichtsvoller, behutsamer.

Die Ruhe vor dem Sturm ist sprichwörtlich. Doch es gibt auch die Ruhe nach dem Sturm - wenn die Schäden gesichtet sind und das Wegräumen begonnen hat, wenn dem Schrecken allmählich der Mut und der Fassungslosigkeit der Tatendrang folgt. Die Welt ist in diesen Momenten eine andere - sie ist gefasster, rücksichtsvoller, behutsamer. Das ist auch nach dem rheinischen Unwetter so zu erleben.

Wie zum Beispiel auf der A 52, die als Verkehrsader über den Rhein ins Düsseldorfer Zentrum führt und nun für das Chaos und den mobilen Infarkt dieser Tage steht. Noch am Montag standen dort die Autos vor den Rheinbrücken die halbe Nacht. Die Motoren waren nach und nach aus- und die Scheinwerfer allenfalls auf Standlicht gestellt worden. Und je dunkler und stiller es wurde, desto geringer wurde die Hoffnung auf der vielspurigen Straße, vielleicht gleich oder wenigstens in absehbarer Zeit die Fahrt fortzusetzen. Doch die einzige Bewegung war der Versuch, eine Gasse für die Kolonne auswärtiger Polizeiwagen freizumachen. Auch die kamen nicht über den Rhein, drehten irgendwann wieder um und wuselten sich zurück durch die Karawane, die längst zur Wagenburg erstarrt war. Neben der Sorge regierte Niedergeschlagenheit die Gemüter und Ungeduld und Wut (wem gegenüber eigentlich?).

Drei Tage später schien die Sonne, die Fahrt ging zügig voran, bis erneut ein Polizeiwagen an gleicher Stelle uns Arbeitsheimkehrer erst sanft ab- und dann vollständig ausbremste. Erneuter Stillstand, diesmal vor einer Autobahnbrücke, auf der sich Feuerwehrleute an einem angebrochenen Baumstamm zu schaffen machten. Die Wartenden stiegen aus, verfolgten voller Verständnis das emsige Sägen und Wegschaffen. In den Gesichtern war Respekt vor dieser Arbeit zu lesen und die Frage, wie lange die Freiwilligen wohl schon im Einsatz waren - für uns, für die Sicherheit der anderen also.

Das ist mehr als Solidarität. Das ist auch ein Verständnis für Gemeinschaft, das im Alltag viel zu selten an die Oberfläche unserer Wahrnehmung gelangt. Aber auch das Tun befreit, es erlöst aus der Schockstarre, wenn unsere Sicherheiten plötzlich wackelig und unsere Gewissheiten fragwürdig geworden sind. Und dazu wird die Erinnerung an die Orkan-Nacht wieder wach, das Staunen über die alte Frau am Rande einer breiten Umgehungsstraße. Auch dort war die Verwüstung groß, auch dort lagen Stämme kreuz und quer. Die Frau aber hatte sich ihre Schürze umgebunden und den Besen geschnappt. Die paar Blätter, die sie zusammenfegte, waren kaum der Rede wert. Ihr Einsatz aber bleibt ein gutes Symbol dieser Nacht.

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(RP)
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