Analyse Die Kanzlerin und der Papst

Berlin · Zum dritten Mal trifft Kanzlerin Angela Merkel an diesem Samstag Papst Franziskus, der noch keine zwei Jahre im Amt ist. Die erneute Audienz ist ein Privileg. Merkels Verhältnis zu früheren Päpsten war schwieriger.

Bei ihrem Besuch im Mai 2013 verabschiedete sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei Papst Franziskus mit dem scherzhaften Spruch: "Das nächste Mal gehen wir auf die Piazza und essen eine Pizza." Die Worte der Kanzlerin riefen bei manch' strengem Katholiken die Kritik hervor, dass man so nicht mit einem Papst umgehe. Franziskus scheint das anders zu sehen. Heute kommt die Kanzlerin bereits zur zweiten Audienz. Es ist das dritte Treffen mit dem Papst insgesamt. Erstmals begegnete sie ihm bei der Amtseinführung im März 2013.

Es stimmt die Chemie zwischen diesem Papst ohne Pomp und Pathos und der unprätentiösen deutschen Kanzlerin. Merkel zeigt sich in internen Runden begeistert von dem Papst, der für eine Kirche wirbt, die sich stärker der Barmherzigkeit und der Seelsorge widmet. Sie schätzt auch seine Nahbarkeit. Ihr Beharren, den Ukraine-Konflikt nicht-militärisch zu beenden, liegt wiederum auf der Linie des Vatikans. Franziskus sieht Merkel als zentrale Führungsfigur in Europa. Schon die erste Audienz dauerte mit 45 Minuten länger als vereinbart. Dass Merkel 2013 den Termin bekam, war zudem ungewöhnlich, da der Vatikan normalerweise keine Audienzen mit Politikern in Wahlkampfzeiten vereinbart.

Für das Treffen heute ist eine ganze Stunde angesetzt. Offiziell geht es bei dem Gespräch um die Pläne der deutschen Regierung für die G 7-Präsidentschaft, zu denen Armutsbekämpfung, Klimaschutz und Gesundheitspolitik zählen. Mit diesen Fragen beschäftigt sich auch der Papst. Er will bis zum Sommer eine Enzyklika zum Thema Schöpfung vorlegen.

Die deutsche Botschafterin im Vatikan und Merkel-Vertraute Annette Schavan erwartet, dass auch der Ukraine-Konflikt eine wichtige Rolle spielen wird. "Das Treffen findet zu einer ungewöhnlich unruhigen Zeit statt. Der Ukraine-Konflikt wird vermutlich breiten Raum im Gespräch einnehmen", sagt die frühere Bundesbildungsministerin. Auch die Flüchtlingspolitik soll eine Rolle spielen. Das Schicksal der Menschen, die unter Einsatz ihres Lebens nach Europa kommen, liegt dem Papst besonders am Herzen.

Merkels gutes Verhältnis zum Vatikan zeigt sich zu einem Zeitpunkt, zu dem sie dieses politisch nicht mehr nötig hat. Längst hat sie die Auseinandersetzungen mit der im Geist der Bonner Republik katholisch geprägten CDU hinter sich gelassen. Die Partei hatte zu der Zeit, als Merkel ihr beitrat, ein anderes Verständnis vom Umgang mit der Kirche und auch in der Frage, wie kirchliche Positionen, persönlicher Glaube und politisches Handeln miteinander verbunden sein können und müssen. Auch die Kanzlerin hat einen festen Glauben. Die Positionen der katholischen und der evangelischen Kirche bestimmen aber weniger ihre Haltung, als dies früher in der CDU üblich war. Die konservativen Strömungen in der Partei haben Merkel dies lange verübelt.

Dann geriet die katholische Kirche in Deutschland im Zuge des Missbrauchsskandals unter Druck und war über Monate mit sich selbst beschäftigt. In dieser Phase mischten sich ihre Würdenträger immer weniger in politische und gesellschaftliche Fragen ein. Der politische Katholizismus geriet in eine Krise.

Nun hat ausgerechnet die viel gescholtene Protestantin aus dem Osten die Chance, Politik und Katholiken in Deutschland einander wieder näherzubringen - mit einem unkonventionellen Papst. Am Ende wird das demonstrativ gute Verhältnis zum Papst der Kanzlerin auch nutzen. Die Verbindung zwischen Partei und katholischer Kirche ist immer noch eng: 72 Prozent der Katholiken mit Kirchenbindung wählten laut einer Umfrage bei der letzten Bundestagswahl die Union.

Nach ihrer Audienz heute wird Merkel die katholische Laienbewegung Sant'Egidio im römischen Stadtviertel Trastevere besuchen, was als besondere Geste gilt. Die Gemeinschaft engagiert sich für den interreligiösen Dialog. Die Kanzlerin trifft mit dem Gründer von Sant'Egidio, Andrea Riccardi, zusammen. Später lädt Botschafterin Schavan zu einem Empfang. Gestern traf Merkel bei einem privaten Abendessen bereits den emeritierten Kurienkardinal und früheren Präsidenten des Päpstlichen Rates, Walter Kasper.

Das Verhältnis zu den Vorgängern von Franziskus war längst nicht so herzlich und unkompliziert. Als sie in der Rolle der Oppositionsführerin im Jahr 2003 eine Audienz bei Johannes Paul II. bekam, gab es eine offene Differenz zwischen Merkel, die im Irak-Krieg an der Seite Amerikas stand, und der Linie der Kirchen. Eine schwierige Situation für die CDU-Chefin damals, die diesen Papst verehrte, ohne den die friedliche Auflösung des Ostblocks nicht denkbar gewesen wäre.

Das Verhältnis zum ersten deutschen Papst seit dem Mittelalter, Benedikt XVI., war voller Spannungen. Seinen Intellekt schätzte sie. Doch nachdem sie ihn öffentlich aufgefordert hatte, klarzustellen, dass es keine Leugnung des Holocaust geben dürfe, ließ sich das Verhältnis nicht mehr reparieren. Die Kanzlerin hatte diese deutlichen Worte gefunden, nachdem Benedikt die Exkommunikation von vier traditionalistischen Bischöfen aufgehoben hatte, die den Holocaust geleugnet hatten. In seiner achtjährigen Amtszeit hatte Merkel keine Audienz.

Auf einen baldigen Gegenbesuch des Papstes müssen die Deutschen wohl noch etwas warten. Für dieses und für das kommende Jahr gibt es bislang keine Planungen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Papst im Luther-Jahr 2017 kommen und so ein Zeichen für die Ökumene setzen könnte. Auf die Frage, ob der Papst für den 31. Oktober 2017, also den Tag, an dem 500 Jahre Reformation gefeiert werden, eine Einladung bekomme, sagte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Als EKD-Ratsvorsitzender würde ich eine solche Einladung nicht alleine aussprechen. Ich halte es aber für eine gute Idee, darüber im Sinne eines gemeinsamen Christusfestes im Jahr 2017 nachzudenken." Das müsse mit den katholischen Geschwistern in Deutschland abgestimmt werden.

(brö / qua)
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