Rechter Terror in Deutschland Die Lehren aus dem NSU-Skandal

Berlin · Die Ermittlungen in der Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle waren ein Desaster, der Verfassungsschutz versagte. Nun verabschiedete der Bundestag eine Reform. Sie sieht vor, dass die Arbeit mit verdeckten Quellen gesetzlich geregelt wird.

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Mit einer Verfassungsschutzreform hat der Bundestag Konsequenzen aus dem "kollektiven Versagen der Sicherheitsbehörden" (so CDU-Bundesinnenminister Thomas de Maizière) während der fast 14 Jahre unerkannten Mordserie des rechtsterroristischen "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) gezogen. Nach dem Willen der großen Koalition betrifft das drei Bereiche: Das Bundesamt für Verfassungsschutz bekommt mehr Einfluss, mehr Geld und mehr Personal. Die Sicherheitsbehörden gelangen über eine gemeinsame Datenbank leichter an wichtige Informationen über verdächtige Personen. Im Gegenzug wird die Nutzung von V-Leuten - also ständigen Informanten von Polizei oder Nachrichtendiensten - als Quellen in extremistischen Kreisen stark eingeschränkt.

Dahinter steht trotz des Schocks nach der Selbstenttarnung des NSU eine offenbar immer noch vorhandene Schieflage in der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit. Bei den Polizeibehörden gebe es einen "guten Geist der Zusammenarbeit", stellte de Maizière fest - und fügte hinzu, bei den Verfassungsschutzbehörden "so noch nicht".

Ausschuss und Gerichte hatten im Zusammenhang mit den NSU-Ermittlungen eklatante Fehler in Sachen V-Leute zutage befördert. So hatte der Verfassungsschutz einen wegen Beteiligung an einem Mordversuch verurteilten Gewaltverbrecher vorzeitig aus der Haft geholt, um ihn unter dem Decknamen "Piatto" noch tiefer in den Rechtsextremismus hineinzubringen. Hier legt die Verfassungsschutznovelle nun fest, dass Personen, die zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt wurden, künftig gar nicht erst angeworben werden dürfen. In Einzelfällen können Behördenchefs auch Ausnahmen zulassen, wenn ein solcher Einsatz zur Aufklärung von besonders gefährlichen Bestrebungen unerlässlich ist. An dieser Stelle wittert die Opposition ein Einfallstor zur Fortsetzung der Praxis.

Stationen des NSU-Terrors
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Foto: dpa, Frank Doebert

Weitere eklatante Fehler im V-Leute-Einsatz unterliefen den Behörden bei Tino Brandt in Thüringen und im Fall "Corelli". Beide wurden mit viel Geld ausgestattet und konnten damit die gefährlichen Strukturen überhaupt erst aufbauen, auf die der Verfassungsschutz besonders achten sollte. Das will die Koalition verhindern, indem sie das Geld (bei Brandt waren es umgerechnet rund 100 000 Euro) als Lohn für die Spitzel-Tätigkeit begrenzt und zudem die Rekrutierung solcher Extremisten verbietet, die in Aussteigerprogrammen stecken.

Zudem wird erstmals auch das Verhalten schon rekrutierter V-Leute gesetzlich geregelt. So können sie zwar "szenetypisches Verhalten" zeigen, um nicht enttarnt zu werden. Doch dabei darf keine andere Person Schaden erleiden. De Maizière bringt es am Beispiel typischer linksextremistischer Randale auf den Punkt: "Vermummung im Schwarzen Block ist erlaubt, Sachbeschädigung bleibt verboten." In Sicherheitskreisen wird hinterfragt, ob dieses Vorgehen der Realität bei einschlägigen Aufmärschen und Konflikten jedes Mal gerecht wird.

Ob weiter nachgebessert werden muss, hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob sich die einzig Überlebende aus der NSU-Kernzelle, Beate Zschäpe, vor Gericht doch noch zu einer Aussage durchringt. Die Fraktionen werden nach der Sommerpause darüber beraten, ob es einen weiteren NSU-Untersuchungsausschuss noch in dieser Wahlperiode geben soll.

Mit der Bundestags-Entscheidung ist das Vorhaben aber noch nicht in trockenen Tüchern. Vor den Beratungen im Bundesrat bleibt umstritten, ob das Bundesamt auch gegen den ausdrücklichen Willen von Landesämtern in deren Ländern aktiv werden darf. Die Opposition bemängelt zudem, dass die Pflicht zur Übermittlung von Verfassungsschutz-Informationen an Mordkommissionen nicht eindeutig geregelt sei.

(may-)
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