Washington Die Lockerungsübungen der Hillary Clinton

Washington · Die ehemalige First Lady stellt vordergründig nur ihr neues Buch vor. Tatsächlich läuft sie sich warm für die Präsidentschaftskandidatur 2016.

Bevor Lissa Muscatine die Frage stellt, die alle gestellt haben wollen, muss sie ein wenig sticheln. "Ich muss sagen, die Art, wie Sie ausländische Namen aussprechen, hat sich dramatisch verbessert", lobt sie, und schon am Tonfall merkt man, es ist ein kleiner, ironischer Seitenhieb gegen ihre Gespächspartnerin Hillary Clinton. Die ehemalige First Lady der USA ist an diesem Tag in die Aula der George Washington University in der Hauptstadt gekommen, um ihren Memoirenband über die Zeit als Außenministerin vorzustellen: "Hard Choices" ("Schwierige Entscheidungen"). Aber zugleich ist es eine Art De-facto-Start in den Präsidentschaftswahlkampf 2016.

Clinton hat sich gerade große Mühe gegeben mit dem Namen Chen Guangchengs, des blinden, einst in die US-Botschaft in Peking geflohenen chinesischen Dissidenten. Es klang dennoch sehr amerikanisch. "Ach, ich habe nun mal kein Ohr für Fremdsprachen", sagt Hillary Clinton und erzählt schmunzelnd von einer Französischlehrerin, die ihr in höflicher Verzweiflung den guten Rat gab: "Mademoiselle, Ihre Talente liegen eher auf anderen Gebieten."

Einmal in Fahrt, plaudert Clinton über die kleinen Überraschungen im Alltag einer Ministerin, die in vier Amtsjahren 112 Länder besuchte. Da ist ein Cocktail namens Pisco Sour, dessen Wirkung sie in einer Bar in Peru stark unterschätzte, ausgerechnet als der chinesische Botschafter auftauchte, um mit ihr über Iran-Sanktionen zu reden. Da ist ihr Amtskollege aus Saudi-Arabien, der ihr verriet, dass er Kamele nicht mag, was sie in gespieltem Staunen dem saudischen König erzählte, worauf ein humoristisch angespitzter Smalltalk folgte, der das Eis schmelzen ließ.

Da sind schließlich die Mühen des Bücherschreibens: "An manchen Tagen war es so furchtbar, da floss mir gar nichts aus der Feder", klagt Hillary Clinton. Stimmt - ihr zuzusehen, wie sie sich quäle, einen Kugelschreiber in der Hand, einen Block linierten Papiers auf den Knien, das sei ungefähr so, als sehe man einer Gebärenden in den Wehen zu, übertreibt Lissa Muscatine. Sie darf das, sie ist eine Veteranin in "Hillaryland", der verschworenen Gemeinschaft der engsten Berater. Sie hat schon Clintons Reden geschrieben, als die noch First Lady im Weißen Haus war. Heute führt sie einen Buchladen, und um ein Buch geht es ja auch. Vordergründig.

Auf einem Mahagoni-Tisch zwischen zwei cremefarbenen Sesseln liegt "Hard Choices". Die beiden plauschen so vertraut, als säßen sie allein vorm Kamin. Nur dass ein paar Hundert Zuschauer mithören. Natürlich ist das alles perfekt inszeniert. Hillary Clinton präsentiert sich als offene, witzige Erzählerin, die auch mal über sich selbst lachen kann. 2008, als sie Barack Obama in einem beinharten Vorwahlduell unterlag, war das noch anders. Da wirkte sie bisweilen gereizt, irritiert und verärgert über den Senkrechtstarter, der es wagte, ihr die sicher geglaubte Kandidatenkrone streitig zu machen. Wohlwollende Kommentatoren sprachen damals von der Eisernen Lady, weil sie auch dann weiterkämpfte, als sie keine Chance mehr hatte. Heute ist die Lesetour mit dem Buch vor allem eines: eine Lockerungsübung. Hillary Clinton, die Souveräne.

Irgendwann kommt dann die Frage, auf die alle warten. Hillary werde ja bald Oma, was sie ihrem Enkelkind denn gern hinterlassen würde als Vermächtnis, tastet sich Lissa Muscatine heran. "Nun, ich werde nicht aufhören, mir Gedanken über mein Vermächtnis zu machen, nicht nur als Großmutter", lautet die lapidare Antwort, und das reicht den Fans schon. Jubelnd springen sie auf. Hat Hillary Rodham Clinton nicht soeben ihre Präsidentschaftskandidatur verkündet?

Hat sie nicht. Doch die Szene zum Schluss, spricht die nicht allein Bände? Da lächelt die 66-Jährige geduldig in Kameras, beugt sich von der Bühne und schüttelt die Hände der ersten Reihe, wie Rockstars es tun. Und kurz vorm Abgang nimmt sie tatsächlich ein Baby in den Arm, um ihm die Wangen zu streicheln. Kein Zweifel, es sind Wahlkampfbilder.

Draußen steht der Kampagnenbus, am Heck ein launiges Motiv -Hillary Clinton tippt etwas in ein Smartphone, darunter der Spruch: "Bitte nicht texten, während Sie fahren!" Mit dem Gefährt war Joanna Antoine binnen vier Tagen schon in New York, Chicago, Philadelphia und Washington, am Ende des Sommers wird ihr kleiner Trupp das ganze Land bereist haben. Die Politikstudentin arbeitet beim Spendensammelverein "Ready for Hillary". Wo immer der Bus hält, legt sie Listen aus für Leute, die mitmachen wollen beim Wahlkämpfen. Der Apparat steht, noch bevor sich die Kandidatin festgelegt hat, zweieinhalb Jahre vor dem Votum.

"Wir sind bereit, wenn Hillary bereit ist", sagt Antoine. Es klingt, als wäre der Rest nur noch Formsache.

(RP)
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