Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft und Prominenten Die Niedersachsen-Connection

Der Fall Edathy zeigt, wie eng in Niedersachsen die Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft und Prominenten sind. Überdurchschnittlich viele Spitzenpolitiker kommen aus diesem Bundesland.

Wenn diese Republik ein Skandal in Atem hält, führen in der Regel viele Spuren nach Niedersachsen. Der Filz aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Unternehmen und Prominenz hat viele fantasievolle Namen: Mit "Maschsee-Sumpf" oder "Niedersachsen-Connection" werden die steilen politischen Karrieren und jähen Abstiege beschrieben, die offenbar zur Kultur dieses Landstrichs gehören.

Auch in der aktuellen Affäre um Sebastian Edathy laufen die Fäden nach Niedersachsen. Bei der Suche nach dem Leck, wer den SPD-Abgeordneten davor gewarnt haben könnte, dass die Staatsanwaltschaft in Sachen Kinderpornografie gegen ihn tätig geworden ist, kommt man in Hannover aus. Der frühere niedersächsische Innenminister Heiner Bartling (SPD) erklärte gestern unter Berufung auf einen Informanten, Edathy sei gewarnt worden, dass etwas gegen ihn laufe.

Für die Spitze der SPD in Berlin ist der Fall Edathy besonders pikant, da auch Parteichef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Thomas Oppermann aus Niedersachsen stammen. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier, als Chef der Staatskanzlei zu den Regierungszeiten von Gerhard Schröder in Niedersachsen tätig, zählt zur Niedersachsen-Connection. Oppermann und Niedersachsens derzeitiger Ministerpräsident Stephan Weil haben ein enges politisches Verhältnis. Nach der für die SPD verlorenen Landtagswahl 2008 verfassten sie ein gemeinsames Strategiepapier. Oppermann unterstützte Weil stets bei seinem Aufstieg vom Hannoveraner Oberbürgermeister zum niedersächsischen Ministerpräsidenten.

Ob Edathys Informant aus den Reihen der SPD oder aus den Reihen der Ermittlungsbehörden kam, ist offen. Bartling meinte, es sei "nicht der politiknahe Bereich". Dies könnte aber auch eine Schutzbehauptung sein. Noch ein interessantes Detail: Bartling und Edathy kommen beide aus dem Kreis Schaumburg.

Und so läuft das in Niedersachsen: Man kennt sich, man hilft sich. Bei derartig prominenten Fällen könne man von einem Ränkespiel zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft und einer gewissen "Geschwätzigkeit" in Niedersachsen ausgehen, sagt ein niedersächsischer Spitzenpolitiker. Und es stelle sich natürlich die Frage, ob SPD-Innenminister Boris Pistorius frühzeitig auch seinen SPD-Regierungschef Stephan Weil informiert habe. Ein Verschweigen in einer derart brisanten Angelegenheit wäre zumindest ein ungewöhnliches Vorgehen. "Klar tauscht man sich mit Vertrauten aus", sagt ein niedersächsischer Landtagsabgeordneter.

Viele prominente Politiker sind schon auf dem niedersächsischen Nährboden gewachsen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zählt dazu, ebenso der CDU-Spitzenkandidat für die Europawahl, David McAllister. Doch so schnell einer in die Karriere-Umlaufbahn schießt, so jäh kann auch der Absturz kommen wie beispielsweise bei Ex-FDP-Chef Philipp Rösler, der auch aus Hannover kam.

Auch der mit dem Kinderporno-Verdacht behaftete Sebastian Edathy zählt nun zu den Gefallenen. Oberstaatsanwalt Jörg Fröhlich muss viel Kritik einstecken, weil er einerseits spät gehandelt hat, andererseits ein Durchstechen an die Öffentlichkeit nicht verhindern konnte. Dieselbe Staatsanwaltschaft kümmert sich auch um Hauskredit, Bobbycar, Reisen und Hotel-Upgrades von Ex-Bundespräsident Christian Wulff.

Rund um den CDU-Mann hatte sich zu dessen Zeiten als niedersächsischer Ministerpräsident eine für den Landstrich typische Allianz aus Seilschaften, Freundschaften und gegenseitigen Abhängigkeiten gebildet. Auch wenn die juristischen Vorwürfe gegen den Ex-Präsidenten nach und nach verpuffen, führte Wulff ein für einen Ministerpräsidenten erstaunlich illustres Leben. Zu seinen Freunden zählte der frühere Finanz-Unternehmer Carsten Maschmeyer, der mit der Schauspielerin Veronica Ferres liiert ist. Seine Freundschaft zum Filmproduzenten David Groenwold ist Wulff im Amt des Bundespräsidenten zum Verhängnis geworden.

Für den Rest der Republik gewöhnungsbedürftig ist auch, dass Wulffs Pressesprecher Olaf Glaeseker zum Alter Ego seines Chefs wurde und für diesen die Strippen zog. Der später in Verruf geratene, mit Sponsoren-Geldern finanzierte "Nord-Süd-Dialog" zwischen Niedersachsen und Baden-Württemberg wäre ohne die Aktivitäten Glaesekers so nicht denkbar gewesen.

Und dann VW, der Autokonzern, über den das Land Niedersachsen mit seiner Sperrminorität bestimmen kann. Auch er ist Teil der Connection: Nach dem ehemaligen Personalvorstand des Unternehmens, Peter Hartz, sind die wegweisenden Sozialreformen der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder benannt. Hartz selbst ging am Ende in der VW-Affäre aus Korruption und Rotlicht unter: Er wurde wegen Untreue und Begünstigung zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.

Gregor Mayntz / Eva Quadbeck

(may-, qua)
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