Bogotá Die Opfer erzählen vom kolumbianischen Bürgerkrieg

Bogotá · Den genauen Zeitpunkt wird Luz Marina Carmona nie vergessen: Es war kurz nach 15 Uhr am Tag ihres 34. Geburtstags. Rund 40 bewaffnete Männer strömten damals die Hügel herunter bis vor ihre Tür im kleinen Dorf Alaska in Kolumbien. Zunächst waren sie freundlich, sie baten aber eindringlich alle Bewohner darum, sich schnellstmöglich im Zentrum des Dorfes einzufinden, erinnert sich die Bäuerin. Carmona ist eine gutmütige, freundliche Frau und wirkt seltsam gefasst, wenn sie über das redet, was dem Dorf am 10. Oktober 2001 widerfahren ist. Rechte Paramilitärs exekutierten damals kurzerhand 24 Männer, darunter den 18-jährigen Jhon Fredy - Carmonas ältesten Sohn. Sie selbst war zuvor mit anderen Frauen und den Kindern in einem Haus eingesperrt worden. "Wir hörten keine Schreie, kein Stöhnen", sagt sie mit sanfter Stimme. Nur die Schusssalven. Dann überwältigen die Bäuerin doch die Erinnerungen. Sie weint.

Das Alaska-Massaker in der Nähe von Buga, rund 260 Kilometer von der Hauptstadt Bogotá entfernt, war vermutlich ein Racheakt. Das kleine im Departement Valle del Cauca gelegene Dorf galt damals als Guerilla-freundliche "rote Zone". Eine andere Version besagt, dass sich die Angreifer mit der Tat Luft verschaffen wollten - nicht weit von Alaska sollen sie in ein Zwei-Fronten-Gefecht zwischen linken Rebellen und dem Militär geraten sein.

Carmona ist nach offiziellen Zahlen eine von über 6,6 Millionen Leidtragenden des Krieges in Kolumbien. Der 50 Jahre währende Konflikt gilt als der längste Bürgerkrieg der Welt. Linke Guerillagruppen, rechte Paramilitärs und reguläre Truppen bekämpften sich in den vergangenen Jahrzehnten mit aller Härte. Mehr als 220 000 Menschen sind bislang gestorben.

Inzwischen geht es dem Land besser. Nach Jahren soliden Wirtschaftswachstums will Staatschef Juan Manuel Santos nun die nächste große Aufgabe anpacken: Seit November 2012 verhandelt seine Regierung auf Kuba mit der größten Guerillaorganisation, den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens, über einen Friedensvertrag. Die marxistische Guerillaorganisation hatte 1964 zu den Waffen gegriffen, um für die Rechte der Bauern zu kämpfen. Seit dieser Woche steht in Havanna die Situation der Opfer auf der Agenda. Bis zu 60 Menschen sollen über ihre leidvollen Erfahrungen im Krieg berichten. Die größte Opfergruppe stellen nach Angaben der 2011 gegründeten Stelle für Konfliktopfer die rund 5,7 Millionen Flüchtlinge dar. Es sind Menschen, die auf dem Land lebten und durch die Vertreibung verarmt sind.

(dpa)
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