Analyse Die Paten des Dschihad

Düsseldorf · Der vorgeblich "Heilige Krieg" muslimischer Extremisten wird finanziert mit kriminellen Aktivitäten. Sie reichen von Entführungen über Schutzgelderpressung bis hin zu Raub und Schmuggel.

Dass der Journalist James Foley sterben musste, von einem vermummten Kämpfer der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) barbarisch vor laufender Kamera enthauptet, lag vermutlich an seiner Nationalität. Foley war Amerikaner und damit finanziell nicht interessant. Angeblich verlangten die Entführer rund 75 Millionen Euro für seine Freilassung. Doch die US-Regierung lehnt Lösegeldzahlungen kategorisch ab. Foley war "unverkäuflich", sein Tod für seine Mörder aber immer noch von propagandistischem Wert. Am liebsten freilich nehmen die Extremisten Koffer voller Bargeld. Längst ist die Entführung von westlichen Journalisten, Technikern oder Entwicklungshelfern zur mutmaßlich wichtigsten Finanzquelle islamistischer Terrorgruppen geworden.

Gekidnappt wird gezielt nach Nationalität, besonders beliebt sind Europäer. Denn deren Regierungen zahlen gewöhnlich, auch wenn dies öffentlich heftig dementiert wird. Die Praxis führt regelmäßig zu Streit. So haben die USA und Großbritannien vor einem Jahr die G 8-Staaten darauf verpflichtet, keine Lösegelder an Terrorgruppen zu zahlen. "Je mehr diese Gruppen glauben, sie könnten von Geiselnahmen profitieren und sich dadurch finanzieren, desto schlimmer wird es auf Dauer für uns alle", mahnt der im US-Finanzministerium für das Thema Terror zuständige Staatssekretär David Cohen. Die Vereinten Nationen verpflichteten in einer Resolution erst unlängst alle ihre 193 Mitglieder, neben der Rekrutierung vor allem auch die Finanzierung für Terrorgruppen zu unterbinden.

Doch es gibt begründete Zweifel, ob sich die Staatskanzleien an den Nichtzahlungspakt halten, wenn der Ernstfall eintritt und Landsleute gekidnappt werden. Allein für die Freilassung von vier im westafrikanischen Niger von einer Al-Qaida-Gruppe entführten Franzosen soll Paris im Oktober 2013 nach einem Bericht der Zeitung "Le Monde" 20 Millionen Euro hingeblättert haben. Amerikanische Diplomaten schätzen, dass Al Qaida allein im Jemen und im Maghreb in den vergangenen fünf Jahren rund 95 Millionen Euro mit Lösegeldern eingenommen hat. Das Geschäftsmodell ist so erfolgreich, dass auch der von Al Qaida abgespaltene IS es praktiziert - so wie wohl auch alle anderen Dschihad-Gruppen, in deren Auftrag eigens zum diesem Zweck bezahlte Fangtrupps die jeweilige Region nach lukrativen Opfern durchkämmen. Allein im Bürgerkriegsland Syrien sollen derzeit fast 200 Geiseln, darunter auch etliche Europäer, in den Verliesen diverser Terrorgruppen oder ihrer "Zulieferer" schmoren.

Entführungen sind freilich nur eine der Quellen, aus denen sich die Dschihadisten finanzieren. Immer noch gehören auch Spenden dazu. So wird vor allem dem reichen Golfscheichtum Katar immer wieder vorgeworfen, die IS-Kämpfer zu finanzieren. Die Regierung in Doha weist diesen Vorwurf empört zurück. In der Tat glauben Experten nicht an direkte Geldflüsse von staatlichen Stellen zu den Extremisten. Längst sind die Fanatiker auch für die Öl-Monarchien zu einer Bedrohung geworden. So spendete Saudi-Arabien erst kürzlich 75 Millionen Euro an das Terrorismusbekämpfungsprogramm der Europäischen Union.

Richtig ist aber, dass die radikalen Gotteskrieger den sunnitischen Regimes lange als äußerst nützlich galten, um den wachsenden Einfluss der schiitischen Vormacht Iran in der Region zurückzudrängen. Aus Angst vor den Mullahs wurden dabei wohl häufig beide Augen zugedrückt. Denkbar ist also, dass die Terrorgruppe IS mindestens in einer Frühphase ihrer Entstehung durch Privatspenden reicher Geschäftsleute aus Golfstaaten wie Katar, Kuwait oder Saudi-Arabien sowie durch Sammlungen unter Gläubigen in den Moscheen eine Art Anschubfinanzierung erhalten hat.

Doch auf solche milden Gaben ist der IS längst nicht mehr angewiesen. Auf dem Weg zum erträumten Kalifat, einem islamischen Gottesstaat vom Persischen Golf bis zur Levante, ist die Gruppe inzwischen so weit vorgerückt, dass sie sich neue, höchst ergiebige Geldquellen erschlossen hat. So sind den IS-Milizen bei der Eroberung und Plünderung großer irakischer Städte wie Mossul neben Tausenden Tonnen an militärischer Ausrüstung und Waffen auch große Summen Bargeld und Wertgegenstände in die Hände gefallen. Dazu kommt systematische Schutzgelderpressung. In den von ihnen beherrschten Gebieten erheben einzelne IS-Verbände "islamische Steuern" von Händlern, Bauern und Geschäftsleuten.

Außerdem kontrollieren die Kämpfer einen erheblichen Teil des Schmuggels an der türkischen Grenze zum Irak und zu Syrien und verdienen auch dabei kräftig mit. Auch gestohlenes Erdöl wird offenbar zu Geld gemacht, allerdings nur in geringem Umfang, weil der Miliz dafür das technische Know-how fehlt und die offiziellen Exportwege versperrt sind. Schließlich werden anscheinend auch archäologische Grabungsstätten geplündert. Wertvolle antike Fundstücke, die offenbar aus Syrien oder dem Irak stammen, sind in den vergangenen Jahren auf dem internationalen Kunstmarkt aufgetaucht.

Die Mafia würde es nicht besser hinbekommen: Es handelt sich um organisierte Kriminalität im Namen des Islam, eine Art modernes Raubrittertum unter dem schwarzen Banner des Propheten. Der IS gilt inzwischen als die reichste Terrororganisation der Welt, was seine Attraktivität in den Augen islamistischer Kämpfer nur noch weiter steigert. So setzte sich die seinerzeit noch unter dem Kürzel Isil ("Islamischer Staat im Irak und in der Levante") firmierende Vorläufer-Miliz gegenüber den konkurrierenden islamistischen Rebellengruppen in Syrien nicht nur mit Waffengewalt durch. Zahlreiche Kämpfer sollen der Konkurrenz auch schlicht durch einen höheren Sold abgeworben worden sein.

(RP)
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