Datenschützer warnen vor Überwachung Die seltsame Logik der Pkw-Maut

Berlin · Ausländer müssen nur für deutsche Autobahnen zahlen, Deutsche auch für Bundesstraßen. Warum Verkehrsminister Dobrindt seine Pläne noch einmal abspeckte, wie die Maut funktioniert und was den CSU-Politiker noch aufhalten kann.

So viel Maut müssen Sie zahlen
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500 Millionen Euro sollen Ausländer über die Pkw-Maut für Deutschlands Infrastruktur beisteuern, drei Milliarden Euro kommen von deutschen Autofahrern obendrauf. Schon dieses Verhältnis zeigt eine bemerkenswerte Gewichtung. Weitere wichtige Fragen:

Wie berechnet sich die Maut?

Im Durchschnitt sind es 74 Euro pro Jahr, höchstens 130 Euro - je nach Hubraum und Umweltverträglichkeit (siehe Grafik). Autofahrer aus dem Ausland können auch für zehn Euro eine Zehn-Tages-Vignette oder für 22 Euro eine Zwei-Monats-Vignette kaufen.

Fahrer in Deutschland zugelassener Autos müssen nichts tun. Ihre Maut wird automatisch errechnet und ein entsprechender Betrag für die sogenannte Infrastrukturabgabe von der Kfz-Steuer abgezogen.

Gibt es Ausnahmen?

Fahrer im Ausland zugelassener Wagen müssen keine Maut zahlen, wenn sie keine Autobahn benutzen. Auch deutsche Besitzer von Elektro-Autos sind von der Abgabe befreit. Alle anderen in Deutschland zugelassenen Wagen werden aber mautpflichtig. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) erhebt die Maut für alle Bundesfernstraßen (rund 40.000 Kilometer) und geht davon aus, dass jeder Bundesstraßen benutzt.

Warum gibt es Ausnahmen?

Ursprünglich wollte Dobrindt alle Gemeinde-, Landes- und Bundesstraßen bemauten. Dagegen liefen die grenznahen Landkreise und die CDU-Verbände NRW und Rheinland-Pfalz Sturm. Sie fürchteten einen Einbruch bei Einkaufsfahrten aus den Nachbarländern.

Statt nur den Grenzraum freizustellen, nahm Dobrindt alle Straßen außer Autobahnen aus der Mautpflicht für Ausländer heraus. Die Gleichbehandlung für alle Inländer mit den Ausländern fürchtete er indes - und legte für die Inländer fest, dass sie für alle Bundesfernstraßen zahlen müssen.

Ist eine Diskriminierung der Deutschen bei der Maut erlaubt?

Europarechtlich dürfen nur EU-Ausländer nicht schlechter gestellt werden.

Die Zusatzbelastung für Inländer wird nur am nationalen Verfassungsrecht gemessen, wie der Göttinger Verfassungsrechtler Frank Schorkopf erläutert. Dobrindt sieht keine Ungleichbehandlung, da die Deutschen wegen der Kompensation über eine niedrigere Kfz-Steuer keinen Cent mehr bezahlten. Der ADAC glaubt aber, dass es deswegen trotzdem Verfassungsklagen vor allem aus dem ländlichen Raum geben wird.

Wie bekommt man die Vignette?

Es gibt sie nicht als Aufkleber oder auf Papier, sondern ausschließlich digital - für Deutsche automatisch mit dem Kfz-Steuerbescheid, für Ausländer per Maut-App oder an Verkaufsstellen an der Grenze und an Tankstellen.

Im Rechner des Kraftfahrtbundesamtes wird dann hinterlegt, für welches Kennzeichen Maut gezahlt wurde. Kontrollstellen scannen dann jedes Auto und gleichen online die Kennzeichen ab.

Sind Strafen möglich?

Wer ohne digitale Vignette erwischt wird, zahlt den für seinen Wagen vorgesehenen Jahresvignetten-Preis nach und erhält eine Strafe von bis zu 260 Euro. Wer mit einer zu günstig berechneten Vignette auffällt, zahlt ebenfalls den korrekten Jahrespreis nach und wird mit einer Strafe von bis zu 150 Euro belegt - allerdings nicht an Ort und Stelle.

Die Rechnung geht an den Wohnort im Ausland. Deshalb gibt es Zweifel, ob der Betrag auch wirklich ankommt. Inländer sind von Strafen nur theoretisch betroffen, etwa wenn ihr Konto keine Deckung aufweist, um die Mautgebühren einziehen zu können.

Wie hoch sind die Kosten?

Dobrindt rechnet mit knapp 200 Millionen Euro jährlichen "Systemkosten". Dazu zählen auch 74 zusätzliche Stellen beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg und 400 Stellen beim Bundesamt für Güterverkehr (BAG) in Köln, das die flächendeckende Überwachung vornehmen soll.

Ein BAG-Sprecher sagte, die Behörde wisse aber noch nicht, wie die Kontrollen ablaufen sollten.

Drohen Mehrbelastungen?

Für Ausländer ist die Maut auf Bundesstraßen nur "vorerst" ausgesetzt. Gibt es Umgehungsverkehr, will Dobrindt darauf reagieren und auch betroffene Strecken mit einbeziehen.

Wann kommt die Maut?

Ursprünglich sollte die Maut zum 1. Januar 2016 "scharfgestellt" werden, nun spricht Dobrindt nur noch von 2016.

Sein Entwurf ging gestern in die regierungsinterne Abstimmung. Er könnte dort aber aufgehalten werden, weil andere Minister ihre Projekte auch durchbringen wollen. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) dringt auf die Frauenquote. Der Entwurf dazu war zur Beschlussfassung im Kabinett in der nächsten Woche vorgesehen, wurde aber von CSU-Ministerien ausgebremst. Ein Tausch Maut gegen Frauenquote scheint möglich.

(jd, rl, maya-)
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