Gastbeitrag Martin Börschel "Die SPD muss wieder Fortschrittspartei werden"

Der SPD-Landtagsabgeordnete über die Herausforderungen für die Sozialdemokratie und die Chance für ihre Erneuerung.

Der Countdown läuft: 463.723 Mitglieder entscheiden darüber, ob die SPD sich erneut an einer Bundesregierung unter Führung von Angela Merkel beteiligt. Die SPD tut gut daran, diese Energie und die Kompetenz ihrer Mitglieder auch nach dem Basisvotum zu nutzen. Denn unabhängig davon, wie es ausgeht: Die deutsche Sozialdemokratie bedarf dringend einer umfassenden Erneuerung. Sie muss eine moderne Vision unserer Gesellschaft entwerfen. Das allerdings gelingt nur, wenn sie endlich ihre merkwürdige Verzagtheit abschüttelt.

Deutschland ist heute ökonomisch erfolgreich wie selten zuvor. Aber unter der glänzenden Oberfläche hat sich Rost festgefressen. Die Einkommen driften auseinander, mehr noch die Vermögen. Jedes fünfte Kind lebt in Armut oder ist von ihr bedroht, das Armutsrisiko für künftige Rentner liegt nur knapp darunter. Leiharbeit und Langzeitarbeitslosigkeit sind ungelöste Probleme. Nicht zuletzt hat die Hartz-IV-Gesetzgebung ihren Anteil an der ökonomischen Erfolgsgeschichte, aber eben auch an der Verunsicherung breiter Schichten der Bevölkerung. Diese Fehlentwicklungen muss gerade die SPD einräumen und korrigieren, indem sie endlich ein rationales Verhältnis zur Agenda 2010 entwickelt. Diese war eben nicht nur gut, sie war aber auch nicht nur schlecht. Vor allem war sie eine Agenda des letzten Jahrzehnts, sie ist keine Antwort mehr auf die Herausforderungen von morgen und gehört durch eine moderne Agenda ersetzt.

Algorithmen, Big Data, das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz werden unser Zusammenleben und unsere Arbeitswelt radikal verändern. Die SPD als Partei der Arbeit muss diese Herausforderung als Gestaltungsauftrag verstehen, statt nur die Risiken zu betonen. Die Weichen, die wir in den nächsten Jahren stellen, werden bestimmen, ob die Digitalisierung eine Erfolgsgeschichte für unsere gesamte Gesellschaft sein wird.

Wir müssen verhindern, dass die Gewinne des Wandels privatisiert werden, während die Gesellschaft die Folgekosten tragen muss. Dass Wirtschaftsvertreter ein bedingungsloses Grundeinkommen zunehmend positiv bewerten, verwundert nicht. Doch welche Alternativen gibt es zu dieser "staatlichen Stilllegungsprämie"?

Der Regierende Bürgermeister Berlins, Michael Müller, hat ein solidarisches Grundeinkommen ins Spiel gebracht, das ehrenamtlich Aktive mit einem Grundeinkommen versorgt. Konsequent zu Ende gedacht, läuft dies richtigerweise auf den kräftigen Ausbau des staatlichen Beschäftigungssektors hinaus. Die IG Metall macht zugleich mit ihrer Forderung nach einer 28-Stunden-Woche das große Feld der kürzeren Arbeitszeit auf, die mehr Raum für Familie, Ehrenamt und Freizeit lässt. Beide Gedanken sollten wir ernsthaft diskutieren.

Die SPD ist in der Pole-Position, um auf die soziale Ungleichheit, den Wandel der Arbeitswelt und die Digitalisierung die richtigen Antworten zu finden. Keine andere Partei wird das leisten können, denn keine andere trägt diese Eigenschaften so tief in ihrer DNA. Aber dafür braucht sie Mut: Für einen offenen Prozess, für klare und kontroverse Positionen, für ein klares Einstehen für die eigenen Erfolge. Die Gelegenheit ist günstig. Denn die lebendige und aktive Debatte um die Große Koalition hat Schwung in die Partei gebracht. Die neuen offenen Formen der Diskussion eignen sich bestens, um die inhaltliche Neuorientierung zu schaffen. Und die vielen langjährigen und neuen Mitglieder mit ihrer Expertise sind ein Schatz, den es zu heben gilt.

Große Fragen brauchen große Antworten. Die SPD kann sie geben. Wir stehen damit vor einer Aufgabe von Godesberger Ausmaßen. Also: Nur Mut, Genossen!

Den vollständigen Gastbeitrag lesen Sie bei rp-online/politik

(RP)
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