Kabul Die Taliban sorgen sich um den Wald

Kabul · Afghanistans Baumbestand schrumpft rapide - vor allem eine Folge illegalen Abholzens.

Es war eine außergewöhnliche Botschaft der Taliban in Afghanistan. Die islamistischen Kämpfer, die gewöhnlich zum Heiligen Krieg gegen Ungläubige und zum Widerstand gegen Nato-Truppen aufrufen, hatten diesmal ein ganz anderes Anliegen. Die Afghanen sollten bitte mehr Bäume pflanzen. "Der Baumbestand spielt eine wichtige Rolle beim Umweltschutz, der wirtschaftlichen Entwicklung und der Verschönerung der Erde", ließ Taliban-Führer Hibatullah Akhundzada kürzlich wissen. "Forsten und Landwirtschaft sind weltliche Wohltaten, die aber auch in unserem Leben nach dem Tode immens belohnt werden", sagte er nach Angaben der Taliban-Website "Voice of Jihad".

Afghanistans Wälder werden massiv abgeholzt. Bäume werden nicht nur für Brennholz geschlagen, sondern auch illegal geschmuggelt, über die Grenze nach Pakistan und von dort bis in den Arabischen Golf. Die Umweltprogramm der Vereinten Nationen schätzt, dass Afghanistan in den vergangenen 30 Jahren etwa die Hälfte seines Waldes verloren hat. Vor einigen Jahrzehnten waren große Teile des Hindukusch-Gebirges noch mit üppigem Wald bedeckt, besonders im Norden und Osten Afghanistans. Walnuss- und Haselnuss-Bäume, Eichen, Pfirsich- und Mandelbäume, Ahorn, Eschen, Weiden, Oliven- und Maulbeerbäume wachsen hier. Doch vor allem im Osten des Landes schwinden die Wälder. Dies führt zu Bodenerosion, was wiederum den Baumbestand weiter dezimiert.

Afghanistans nationale Umweltschutz-Agentur kritisiert die Regierung in Kabul, nicht genug gegen Abholzung zu unternehmen. "Nur zwei Prozent von Afghanistan sind noch bewaldet", sagt Wali Modaqiq, der stellvertretende Leiter der Organisation. Jahrzehnte vom Bürgerkrieg und Trockenheit hätten die Wälder schrumpfen lassen, doch das illegale Geschäft mit dem Holz sei der "größte Killer des Waldes". Zwar ist das Fällen von Bäumen zum Weiterverkauf in Afghanistan laut Gesetz verboten, doch der Schmuggel blüht - vor allem in der Provinz Kunar, an der Grenze zu Pakistan. Das Gebiet, das in weiten Teilen von den Taliban kontrolliert wird, lebt ausschließlich von der illegalen Holzindustrie. "Alle hochrangigen Beamten, auch der Gouverneur, der Polizeichef und die Provinzräte, alle sind involviert und bekommen ihren Anteil", sagt Haji Hamidullah, ein Geschäftsmann aus Kunar.

Holzschmuggel ist ein lukratives Geschäft. Im vergangenen Jahr ist auch die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) eingestiegen. In Nangarhar, der Nachbarprovinz von Kunar, haben sie laut Berichten von Einwohnern Maschinen und Gerät im Einsatz, um Bäume schlagen und transportieren zu können. Dieser Vorstoß ist vor allem den Taliban ein Dorn im Auge, die mit dem IS in Konkurrenz stehen. Auch die Taliban waren in der Vergangenheit in den Holzhandel verwickelt, doch sie machen das meist Geld mit dem Anbau von Schlafmohn. Kein Wunder also, dass sich die Taliban zu Baumschützern entwickeln.

(RP)
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