Kolumne Frauensache Die ungute Sehnsucht nach dem Gestern

Die Alternative für Deutschland propagiert ein schablonenhaftes Menschen- und Familienbild. Beim Spaziergang durch Prenzlauer Berg kommen einem dazu mitunter seltsame Gedanken.

Als ich am Wochenende durch Prenzlauer Berg schlenderte (Berlins Bionade-Biedermeier-Bezirk, in dem Latte-Macciato-Frauen mit Fitbit-Männern holzspielzeug-affine Kinder zeugen), kam ich an einem Geschäft für Küchenbedarf vorbei. Neben Töpfen, Schalen und Messern gab es dort Spüllappen mit aufgedruckten Sinnsprüchen zu kaufen: "Spül mir das Lied vom Tod", "Sch(m)utzengel" oder "Frisch gespült, ist halb gewonnen". Der Preis pro Lappen: 4,50 Euro. Während ich die Spüllappen betrachtete, fühlte ich mich an das Frauen- und Familienbild der Alternativen für Deutschland (AfD) erinnert. Warum?

Nun, wir leben in einer Zeit, in der die Spülmaschine Standard ist, selbst in einer Studentenwohnung. Das hat den Spüllappen an Bedeutung verlieren lassen und Tilly von Palmolive ("Sie baden ihre Hände drin") sogar die Existenz gekostet. Jetzt gibt es allerdings Menschen, deren Sehnsucht nach dem Gestern und nach Tilly größer ist als die Freude an den technischen Errungenschaften von heute. Diese Fortschrittsskepsis wirkt weniger gestrig, wenn man alte Lappen mit netten Sprüchlein pimpt. Ähnlich verhält es sich bei der AfD: Mit markigen Sprüchen versucht die Partei ihr rückschrittliches Gesellschaftsbild als Antwort auf die Zukunft zu verkaufen.

So spielt sich die AfD beispielsweise als Hüterin der Familie auf. Familie definiert sie dabei als "Mutter und Vater", die für ihre Kinder "in gemeinsamer dauerhafter Verantwortung" stehen. Dass Partei-Chefin Frauke Petry es mit diesem Familienmodell selbst nicht so genau nimmt, geschenkt. Nicht hinnehmbar ist hingegen, dass sich die AfD anmaßt, gleichgeschlechtlichen Paaren das Familie-Sein abzusprechen.

Überhaupt hat die AfD ein gefährlich schablonenhaftes Menschenbild: Wenn sie im Leitantrag zum Grundsatzprogramm schreibt, die "generelle Betonung der Individualität" untergrabe "die Familie als wertgebende Einheit", dann propagiert sie ein Gesellschaftsideal, das in Deutschland vor 80 Jahren schon einmal gegolten hat. Dazu passt auch das parteipolitische Ziel, die Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung zu erhöhen. Kinder, genauer gesagt deutsche Kinder, statt Massenzuwanderung.

Wie bedeutend die Mutterrolle der deutschen Frau für die AfD ist, hat Georg Pazderski, Oberst a.D. und Spitzenkandidat für die Berlin-Wahl, deutlich gemacht. Er will die Wehrpflicht zurück, Frauen sollen von ihr aber ausgenommen bleiben. Der Grund: Sie gebären Kinder und sollten daher kein Leben nehmen. Dieser Satz hat durchaus Spüllappenqualität.

(RP)
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