Ankara Die "Wölfin" will Erdogan bezwingen

Ankara · Die frühere türkische Innenministerin Meral Aksener will eine eigene Partei gründen - und gegen den Staatschef antreten.

Manche schreiben von ihr als der "Eisernen Lady", andere nennen sie "Asena" - nach der mythischen Wölfin aus der Ursprungslegende der Türken. Die frühere Innenministerin Meral Aksener ist mit 61 alles andere als eine politische Anfängerin. Jetzt will sie ihre eigene Partei gründen und bei der nächsten Präsidentenwahl, die spätestens im November 2019, vielleicht aber auch viel früher stattfindet, gegen Staatschef Recep Tayyip Erdogan antreten. Aksener könnte gewinnen - wenn Erdogan sie nicht vorher ins Gefängnis werfen lässt.

Bis zum vergangenen Jahr gehörte Aksener der ultra-nationalistischen Partei MHP an. Nach einer gescheiterten Revolte gegen den MHP-Chef Devlet Bahceli wurden Aksener und andere Dissidenten aus der Partei ausgeschlossen. Während sich Bahceli vor dem Verfassungsreferendum mit Erdogan verbündete und für dessen Präsidialverfassung trommelte, machte Aksener Wahlkampf für ein Nein. Seither steht sie im Rampenlicht. Nun kündigte Aksener die Gründung einer eigenen Partei an. Ihr Ziel: das Amt des Staatspräsidenten.

Erdogan weiß: Die nächste Präsidentenwahl wird kein Spaziergang. Beim Verfassungsreferendum stimmten nur 51,4 Prozent für sein Präsidialsystem. Gerechnet hatte er mit rund 60 Prozent. Das hätte den kombinierten Stimmenanteilen seiner regierenden AKP und der MHP entsprochen. Aber von den MHP-Wählern dürfte etwa die Hälfte gegen das Präsidialsystem gestimmt haben. Sogar ein Teil der AKP verweigerte die Gefolgschaft.

Der Präsident ist schon jetzt im Wahlkampfmodus, treibt seine Partei an: "Wenn hier irgendjemand müde ist, sollte er seine Position für einen anderen freimachen", forderte Erdogan kürzlich. Die kommenden Wahlen seien "von kritischer Bedeutung". Erstmals werden Präsident und Parlament zeitgleich gewählt. Im ersten Wahlgang benötigt Erdogan mehr als 50 Prozent der Stimmen, um im Amt bestätigt zu werden. Das ist nach dem knappen Resultat beim Referendum keineswegs sicher. Muss Erdogan in eine Stichwahl gehen, könnte es für ihn eng werden.

Bisher profitierte Erdogan von der Zersplitterung der Opposition: Kemalisten, Nationalisten, Linke, Kurden - da fehlt der gemeinsame Nenner. Aksener könnte es aber gelingen, dieses Potenzial zu einen. Für Kemalisten wie für Rechte ist sie wählbar. Auch enttäuschte Erdogan-Anhänger könnte die fromme Muslimin an sich binden. Bei den kurdischen Wählern müsste die Nationalistin Aksener allerdings noch viel Überzeugungsarbeit leisten.

Aksener repräsentiere die "Alte Türkei", erklärte Erdogan - eine Anspielung auf angebliche Verbindungen Akseners zur Bewegung von Fethullah Gülen. Regierungsnahe Medien verbreiten seit Monaten solche Vorwürfe. Wer Erdogan herausfordert, provoziert dessen Rache. Der Kurdenpolitiker Selahattin Demirtas, der 2014 gegen Erdogan antrat, sitzt im Gefängnis. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu droht eine Anklage wegen "Spionage". Jetzt soll offenbar Aksener eingeschüchtert werden. Die "Wölfin" zeigt sich unbeeindruckt. Sie rät ihren Gegnern, in den Spiegel zu blicken, wenn sie einen "Gülenisten" sehen wollten - eine Anspielung darauf, dass Erdogan und Gülen bis vor fünf Jahren Verbündete waren.

(RP)
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