Außenministertreffen Reden in Berlin, Sterben in Donezk

Berlin/Marrakesch · Das Berliner Außenministertreffen geht mit einem Mini-Ergebnis zu Ende: In der Ost-Ukraine sollen die schweren Waffen zurückgezogen werden. Ob die Eskalation gestoppt werden kann, bleibt offen. Gestern wurde weiter gekämpft.

Gemessen an den Vereinbarungen von Minsk im Herbst 2014 ist das Ergebnis des Berliner Außenministertreffens dürftig. Vier Monate nach dem vermeintlichen Durchbruch zum Waffenstillstand in der Ost-Ukraine ist nicht einmal mehr von einer vorübergehenden Feuerpause die Rede. Die Außenminister aus Russland und der Ukraine verständigten sich unter Vermittlung des deutschen Gastgebers und seines französischen Amtskollegen in der Berliner Villa Borsig zu nächtlicher Stunde nur darauf, die schweren Waffen hinter eine bestimmte Linie zu bewegen. Kein Truppenrückzug, keine weitergehenden Appelle zur Feuereinstellung und schon gar keine Perspektive für einen so oft beschworenen dauerhaften Frieden.

Wie zur Bestätigung meldeten die Beobachter auch gestern wieder neue Kämpfe mit weiteren Todesopfern, ging es wieder darum, welche Seite welche Teile des Flughafens von Donezk kontrolliert. Auch die schweren Waffen kamen zunächst weiter zum Einsatz: Durch einen Granateneinschlag an einer Bushaltestelle kamen mindestens sechs Menschen ums Leben.

Die an bittere Enttäuschung gewöhnten Beobachter schöpfen dennoch neue Hoffnung, angesichts der Entwicklung der letzten Tage. Die massiven Gefechte und die Mobilisierung Zehntausender weiterer Soldaten ließen keinen anderen Schluss zu, als dass sich die Gegner militärisch in die Knie zwingen wollten. Angesichts der faktischen russischen Unterstützung für die Separatisten konnte dies aber nur zu immer größeren Verlusten und Zerstörungen führen. Schon jetzt gleicht der Kampf um symbolische Quadratmeter nur noch einem gespenstischen Beschuss von Ruinen.

Gespannt blicken die Diplomaten auf die nächsten Tage. Denn sie werden zeigen, ob beide Seiten endlich davon abgehen, am Verhandlungstisch Lippenbekenntnisse abzulegen und in Wirklichkeit die Entscheidung auf dem Schlachtfeld zu suchen, koste es auch noch so viele Menschenleben.

Offensichtlich ließ sich das am Mittwoch in Moskau von Außenminister Sergej Lawrow ausgesandte Signal neuer Gesprächs- und Verhandlungsbereitschaft am späten Abend in Berlin in einem ersten Text festzurren: Können die Beobachter von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa nun tatsächlich melden, dass die Granatwerfer, Mörser und sonstige Artillerie bewegt werden, dann ist endlich ein Prozess greifbar, der über weitere Ministertreffen und die von Angela Merkel nur für den Fall konkreter Erfolgsaussichten vorgesehene Gipfelkonferenz in Astana den seit fast einem Jahr eskalierenden Dauerkonflikt aufzulösen vermag. Zumindest wäre es möglich, aus dem heißen Krieg einen weiteren eingefrorenen Konflikt zu machen, der zwar keine Seite befriedigt, aber das Töten beendet.

Unklar blieb zunächst, ob der Bezug auf die im September vereinbarte Demarkationslinie als gutes oder schlechtes Zeichen zu werten ist. Es kann bedeuten, dass beide Seiten zu hoffnungsvolleren Zeiten zurückkehren wollen. Es kann aber auch ein Hinweis sein, dass es nicht viel mehr ist als ein Testballon, da die Grenzverläufe zwischen Regierungstruppen und Separatisten in der Wirklichkeit längst andere geworden sind als zu den Zeiten des Minsker Abkommens.

Die möglichen Motive, die hinter der jüngsten Bereitschaft zur Bewegung liegen, sind schwer auszumachen. Sowohl Kiew als auch Moskau spüren immer stärker die Kosten, die sie für die Auseinandersetzung nicht nur an Menschenleben, sondern auch an finanziellen Verlusten zahlen müssen. Aus Russland zieht massiv Kapital ab, der nächste Haushalt dürfte vor starken Ausgabenkürzungen stehen, was die negativen Folgen von Putins Politik im Alltag spürbar machen würde.

Die Aufmerksamkeit wird zudem in immer größerem Maße vom Kampf gegen den islamistischen Terror absorbiert. Die Welt sei in der letzten Zeit "leider noch etwas komplizierter geworden", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier gestern beim Start einer Tour durch die Maghreb-Staaten Zur Lage in der Ost-Ukraine fand er deutliche Worte: "Ich bin schockiert über die schrecklichen Vorfälle, dem erneut so viele Unschuldige zum Opfer gefallen sind." Die Vereinbarungen von Berlin zum Rückzug schwerer Waffen müsse unverzüglich umgesetzt werden, forderte Steinmeier.

Die internationale Sicherheitskonferenz in München vom 6. bis 8. Februar gilt gemeinhin als Gelegenheit, sowohl auf offener Bühne neue Hinweise zu geben als auch auf den Fluren und in den Verhandlungszimmern gleich auszuloten, wie ernst es den Akteuren damit ist, wenn es um die harten Details geht. Doch die aktuellen Ziele sind sogar noch ehrgeiziger: Bis München soll sich das Klima schon so weit gewandelt haben, dass auf der Konferenz der Durchbruch gefeiert und Perspektiven für eine Wiederannäherung zwischen Ost und West entwickelt werden können.

(may-)
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