Analyse E-Autos als Chance für NRW

Gastbeitrag Statt moderner Elektroautos bieten deutsche Autobauer Fahrzeuge mit inakzeptablen Kilometerleistungen zu Mondpreisen an. Gut, dass es in Nordrhein-Westfalen Lichtblicke gibt.

Aufwachen, deutsche Autoindustrie! Wir, Eure Kunden, warten auf Euch. Wir hätten gerne überzeugende technische Angebote für emissionsfreie Elektroautos zu einem vernünftigen Preis. Wir versprechen, wir würden die dann auch mit erneuerbarem Strom, leise und ohne Abgase fahren. Und wir Kunden halten, anders als Ihr mit Euren Abgasen, unser Versprechen.

Aber Ihr schweigt uns nur an und bietet uns inakzeptable Kilometerleistungen zu Mondpreisen. So kann es doch nicht weitergehen. Gut, dass es in Nordrhein-Westfalen Lichtblicke gibt: Die Technische Hochschule Aachen war vor wenigen Wochen auf der Cebit, der weltgrößten Messe für Informationstechnik. Und sie hat dort ihr neues Auto vorgestellt - das zweite Elektroauto, das dort entwickelt wurde. Den E-Go, ein Elektrofahrzeug für Berufspendler, für einen Käuferpreis von 12.000 Euro nach Abzug der Elektrofahrzeugprämie.

Bemerkenswert fand ich, dass die Hochschule dieses Fahrzeug nicht auf der traditionellen Automesse in Frankfurt präsentiert hat, wo immer am ersten Tag für das ökologische Gewissen die "Müsli"-Autos präsentiert werden und dann am zweiten Abend die richtigen Autos für richtige Männer.

Hochinteressant ist, dass das erste Auto aus der Technischen Hochschule Aachen, der "Streetscooter", der jetzt als Lieferfahrzeug der Post schon mehr als 2500-fach im Einsatz ist, zunächst mit Unterstützung der Autozulieferer aus NRW entwickelt wurde. Als aber die Altautoindustrie merkte, dass ihre Lieferanten dabei waren, ein erstklassiges Elektrolieferfahrzeug zu entwickeln, beklagte sie ein "Stockfaul". "Ihr wollt doch wohl nicht etwa ein Auto bauen?", hieß es, und gehorsam stellten die Lieferanten der Altautoindustrie ihre Aktivitäten ein. Zum Glück war die Deutsche Post willens und stark genug, in Konkurrenz zur Altautoindustrie dieses beste zur Zeit erhältliche Lieferfahrzeug für die innerstädtische dieselabgasfreie Auslieferung auch zu produzieren. Und nun hat der Konzern sogar angekündigt, eine zweite Fabrik für den Streetscooter zu bauen - in Nordrhein-Westfalen! - und damit als Anbieter in den Automarkt einzusteigen. Kaufinteressenten gibt es jedenfalls reichlich.

Welche Chance es für die Arbeitsplätze in NRW und gerade in der Braunkohlenregion wäre, wenn hier in größerem Umfang neue moderne Elektroautos gebaut würden, leuchtet sofort ein.

Bekannt kommt mir nur vor, dass bei der Altautoindustrie gegenüber den Elektroautos der gleiche Mechanismus abläuft wie bei den alten Stromkonzernen beim Auftauchen der erneuerbaren Energien: erst ignorieren, dann lächerlich machen, danach ausbremsen und, wenn das alles nicht hilft, ankündigen, dass man bald Weltmarktführer werden will.

Für unverbesserliche VW-Fans, die wie ich seit Jahrzehnten treue VW-Diesel-Kunden sind, die sich aber über die exorbitanten Preise für Elektroautos mit geringer Reichweite bei VW ärgern, gibt es einen zugegeben etwas schrägen Ausweg. Wenn wir trotzdem unserer Lieblingsmarke treu bleiben wollten, und auch noch der deutschen Autoindustrie bei der Entwicklungsarbeit helfen wollten, könnten wir einen VW e-up! für 10.000 Euro unter dem deutschen Listenpreis von 27.000 Euro in Frankreich kaufen.

Und das geht so: Die Franzosen zahlen eine Abwrackprämie für ältere Diesel-Fahrzeuge von 3700 Euro und einen Zuschuss von 6300 Euro, wenn man ein Elektroauto kauft. Das ist natürlich gedacht, um dem Renault Zoe und anderen französischen Herstellern bei der Entwicklung zu helfen, und hat die Franzosen auch zur führenden Elektroauto-Nation in Europa gemacht. Kauft sich nun aber ein Franzose einen VW e-up! und veräußert ihn nach einem halben Jahr für 17.000 Euro nach Deutschland, fährt er ohne Preisverlust, und für den deutschen Käufer ist das ein lukratives Geschäft. So kann VW, ganz im europäischen Sinne, von der Entwicklungshilfe der Franzosen profitieren.

Aber im Ernst: Die deutsche Autoindustrie, weltweit technologisch bisher als führend angesehen, ist mit ihrer Diesel-Strategie in eine Sackgasse geraten. Die jüngsten Hausdurchsuchungen bei Audi machen deutlich, dass es nahezu alle Marken betrifft. Die Kumpanei von staatlichen Stellen, die nicht messen wollten, was sie wissen mussten, und der Auto-Lobby, die ihre Sackgasse verteidigt, ist jetzt an einer sehr kritischen Stelle. Entweder gehen unsere Premium-Marken jetzt sehr energisch voran und bieten uns erstklassige emissionsfreie, rein elektrische Autos an - oder wir werden in wenigen Jahren gezwungen sein, diese in den USA, China oder Frankreich zu kaufen. Und wir Kunden werden das machen, weil auch unsere Geduld irgendwann erschöpft ist.

Alternativ sind wir bereit, unsere hier gebauten Elektroautos mit erneuerbarem Strom zu betanken, und können dann modernste Autotechnologie sauber und emissionsfrei exportieren. Das wäre doch ein guter Pakt zwischen Kunden und Autoindustrie.

Und wenn doch bloß auch die Bundesregierung nach ihrer unsinnigen Ausländer-Maut endlich anfangen würde, im Bereich Elektromobilität ernsthaft voranzugehen. Liebe Bundesregierung, Euer Fördersystem ist gescheitert, kaum einer will es haben. Kopiert bitte das französische Fördersystem, so schnell es geht. Dann holen wir den Vorsprung der Amerikaner und Franzosen vielleicht noch auf.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort