Der Fall Edathy Edathy-Vertrauter verweigert Aussage

Berlin · Die Aussage des SPD-Abgeordneten Michael Hartmann war mit Spannung erwartet worden. Doch der Politiker schweigt.

Überraschende Wende im Untersuchungsausschuss zum Fall Edathy: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann hat gestern bei seiner zweiten Befragung die Aussage verweigert. Er begründete den Schritt mit Vorermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften Berlin und Hannover gegen ihn wegen des Verdachts der Strafvereitelung und wegen Geheimnisverrats. Hartmann hat als Zeuge eine Schlüsselrolle im Ausschuss inne.

Die Aussage des 51-Jährigen war mit Spannung erwartet worden, weil seine im Dezember getätigten Angaben nach Aussagen anderer Zeugen nicht mehr haltbar erscheinen. Sie hatten dem unter Kinderporno-Verdacht stehenden früheren SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy und dessen Version der Geschehnisse Rückhalt gegeben. Demnach soll Hartmann seinen Fraktionskollegen Sebastian Edathy von November 2013 bis Ende Januar 2014 vor drohenden Kinderpornografie-Ermittlungen gewarnt haben. Hartmann bestreitet das.

Das Fax von Hartmanns Anwalt erreichte gestern gegen 16 Uhr die Ausschussmitglieder. Sie hatten gerade die Befragung von Edathys Anwalt Christian Noll abgeschlossen. Danach sollte Hartmann befragt werden. Er will ab jetzt aber nur noch schweigen.

Nach einer kurzen Beratungssitzung äußerten sich die meisten Abgeordneten empört. CDU-Obmann Armin Schuster nannte Hartmanns Weigerung "einen Affront", Grünen-Obfrau Irene Mihalic empfand sein Vorgehen als "ungeheuerlich". "Er will sich vor einer Aussage drücken", sagte Mihalic sichtlich aufgebracht. Die Ausschussvorsitzende Eva Högl (SPD) blieb hingegen zurückhaltend: "Das lässt noch keinen Rückschluss auf den Wahrheitsgehalt einzelner Aussagen zu."

Hartmann musste jedoch trotzdem vor dem Ausschuss erscheinen. Begleitet wurde er von seinem Anwalt Stefan König. "Mein Mandant steht für eine weitere Befragung hier nicht zur Verfügung", sagte König knapp. Der Verteidiger reagierte rabiat auf Nachfragen der Ausschussmitglieder: "Wenn Sie davon nichts verstehen, dann seien Sie still", fuhr er etwa die Ausschussvorsitzende Högl an, als sie darauf bestehen wollte, Hartmann trotz seiner Aussageverweigerung Fragen zu stellen. Die Sitzung wurde ab diesem Moment zur Farce. Entnervt fragte Högl schließlich, ob Hartmann bei seinen im Dezember getätigten Aussagen bleibe. Hartmann erklärte, er wolle keine Angaben machen, woraufhin die Sitzung unterbrochen wurde.

Gegen 18 Uhr beschloss der Ausschuss letztlich, die Aussagen Hartmanns nach einer zweiwöchigen Frist an die Staatsanwaltschaften zu geben. Auch die der anderen Zeugen, darunter ehemalige Mitarbeiter Edathys, sollen an die ermittelnden Staatsanwaltschaften gehen. Hintergrund: Die Justiz könnte anhand der Protokolle in den möglicherweise anstehenden Strafverfahren gegen Hartmann zu dem Schluss kommen, dass er vor dem Ausschuss falsch ausgesagt hat.

Damit steht Hartmann nun nicht nur politisch unter massivem Druck. Seine Glaubwürdigkeit ist bereits ruiniert. Und auch die SPD gerät durch Hartmanns Entschluss in Bedrängnis: In ihren abschließenden Statements forderte Grünen-Obfrau Mihalic gestern Abend die SPD auf, jetzt dringend das Verhältnis zu Hartmann zu klären. Mihalic sprach es nicht aus, ein Fraktionsausschluss Hartmanns stand aber fast hörbar im Raum.

Auch juristisch steckt Hartmann in der Klemme: In einem Strafverfahren müsste er beweisen, dass er weder Geheimnisse preisgegeben, noch Edathy gewarnt hat, um ihn vor einer Strafe zu bewahren. Ihm droht im schlimmsten Fall eine mehrjährige Freiheitsstrafe.

Unterdessen stellt sich für die Opposition im Untersuchungsausschuss jetzt vor allem die Frage, wer von der Aussageverweigerung Hartmanns profitieren könnte. In Betracht kommt ein möglicher Auftraggeber Hartmanns aus der SPD-Spitze, der Hartmann instrumentalisiert haben soll, um Sebastian Edathy zu einem Mandatsverzicht zu bewegen.

Weil jedoch Hartmanns Aussage nun fehlt, ist der Ausschuss allein auf die Angaben von SPD-Chef Sigmar Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Fraktionschef Thomas Oppermann angewiesen.

Die drei SPD-Spitzenpolitiker sollen aber wohl erst im April vor dem Ausschuss aussagen.

(jd / rl)
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