Analyse Ein Hauch von Watergate

Washington · Die Skandale nähren inzwischen auch unter Republikanern Zweifel an Donald Trump. Eine Amtsenthebung kommt aber wohl erst infrage, sobald die Konservativen ihre wichtigsten politischen Ziele erreicht haben.

Analyse: Ein Hauch von Watergate
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Die Präsidentschaft des Donald Trump ist noch keine vier Monate alt und versinkt schon im Chaos. Nun haben selbst Politiker aus dem republikanischen Lager zum ersten Mal das böse Wort in den Mund genommen: "Impeachment" - Amtsenthebung. Die oppositionellen Demokraten reden schon länger davon, den 45. Präsidenten der USA vorzeitig aus dem Weißen Haus zu jagen. Aber erst jetzt, da Trump in seine bislang schwerste Krise schlittert, bekommt dieses Szenario so etwas wie Glaubwürdigkeit.

Selbst viele Republikaner finden, dass da bei Trump inzwischen einiges zusammenkommt. Erst feuerte er den FBI-Direktor James Comey, was den Verdacht nährte, er wolle potenziell brisante Ermittlungen abwürgen. Comey versuchte der sogenannten Russland-Connection auf den Grund zu gehen, dem Vorwurf, nach dem Berater aus Trumps Wahlkampfteam mit dem Kreml kooperierten, um der Rivalin Hillary Clinton zu schaden. Trump sah und sieht darin eine Masche seiner von Rache beseelten politischen Gegner, die nicht akzeptieren können, dass Clinton das Votum verlor, und zwar ohne Mithilfe Moskaus. Und Comey, der Chef einer politisch unabhängigen Behörde, war für ihn schlicht ein Störfaktor, der ausgeschaltet werden musste.

Ließ schon dieses Kapitel an eine Bananenrepublik denken, so machen neue Enthüllungen einmal mehr deutlich, wie wenig der Präsident vom Prinzip der Gewaltenteilung versteht. Oder zumindest: wie wenig er davon hält. Im Februar soll Trump den FBI-Chef während eines Treffens im Weißen Haus aufgefordert haben, die Untersuchungen gegen Michael Flynn einzustellen, den Nationalen Sicherheitsberater, der gehen musste, weil er über ein Telefonat mit dem russischen Botschafter in Washington nicht die Wahrheit gesagt hatte. Comey hat das Gespräch in Notizen protokolliert, und nun wird im Kongress der Ruf laut, sie zu veröffentlichen. Die Skandale um Trump, sagt selbst John McCain, ein Parteifreund des Präsidenten, erreichten allmählich die Dimensionen der Watergate-Affäre.

Kein Wunder, dass Szenarien einer Amtsenthebung die Runde machen. Nun hat sich auch noch Allan Lichtman, der an der American University in Washington lehrt, zu Wort gemeldet. Der Historiker gehörte zu den wenigen, die Donald Trumps Wahlsieg vorhersagten, auch in einer Phase des Rennens, in der die meisten Umfrageinstitute dem Immobilienmagnaten keine Chance gaben. Trump gratulierte ihm damals sogar zu seiner Weitsicht. Nur hat sich Lichtman kurz darauf erneut weit aus dem Fenster gelehnt und prophezeit, dass es der Präsident nicht über die volle Amtszeit schaffen, sondern vorzeitig seines Amtes enthoben werde. In den Monaten nach der Wahl hat Lichtman ein Buch geschrieben, um seine These zu untermauern. Es trägt den Titel "The Case for Impeachment" und enthält auch einen Schnellkurs in Verfassungsrecht.

Die Gründer der USA, so Lichtman, hätten es eben nicht der Justiz überlassen, darüber zu befinden, ob die Demokratie die Reißleine ziehe und einen Präsidenten aus dem Amt entferne. Vielmehr sei es ein rein politisches Verfahren, nicht unbedingt an eine konkrete Straftat gebunden. Voraussetzung ist, so hat es der große Theoretiker Alexander Hamilton 1788 definiert, ein "Fehlverhalten öffentlicher Personen, mit anderen Worten, der Missbrauch öffentlichen Vertrauens". In einem ersten Schritt muss eine Mehrheit im Repräsentantenhaus dafür stimmen. Das heißt, angesichts der aktuellen Mehrheitsverhältnisse müssten sich neben den Demokraten etwa zwei Dutzend republikanische Abgeordnete gegen Trump stellen.

So unvorstellbar sei das gar nicht, argumentiert Lichtman. Zwar wollten die Konservativen zunächst ihre zentralen Projekte durchsetzen: erstens die Abwicklung der Gesundheitsreform Barack Obamas, zweitens massive Steuersenkungen. Und dazu bräuchten sie Trump. Doch sobald sie ihre Ziele erreicht hätten und sich der Mann an der Spitze mit seinem erratischen Regierungsstil nur noch als Belastung erweise, seien sie bereit, ihn fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel. In dem Moment, orakelt Lichtman, stehe einem Impeachment nichts mehr im Wege.

Bislang kennt die US-Geschichte zwei Fälle, in denen der Kongress die Reißleine zog, wenn auch nicht mit letzter Konsequenz. 1868 traf es Andrew Johnson, einen Südstaatler aus Tennessee, der nach dem Bürgerkrieg bremste, als die hart erkämpften Rechte befreiter Sklaven in der Praxis durchgesetzt werden sollten. 1998 war es Bill Clinton, der im Zuge der Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky unter Eid gelogen hatte. In beiden Fällen scheiterte das Prozedere: Denn nur wenn sich im Senat eine Zweidrittelmehrheit findet, führt es zu einem Ergebnis. Angesichts der Sitzverteilung in der kleineren Kongresskammer (52 Republikaner, 48 Demokraten) müssten sich in Trumps Fall also mindestens 18 Republikaner der Oppositionspartei anschließen, wenn das Impeachment Erfolg haben soll. Momentan scheint es unrealistisch, aber das kann sich ändern.

Richard Nixon wiederum kam der sicheren Amtsenthebung zuvor, indem er 1974 auf dem Höhepunkt des Watergate-Skandals zurücktrat. Es sind vor allem die Parallelen zu Nixon, die Lichtman an ein vorschnelles politisches Ende Trumps glauben lassen. "Beide sind zwanghaft davon besessen, von eigener Schuld abzulenken. Beide sind innerlich zutiefst verunsichert. Beide neigen zur Geheimniskrämerei und streben an, alles unter Kontrolle zu haben, ohne dass jemand widerspricht", schreibt er in seinem Buch. Wie Nixon wolle auch Trump seine persönliche Agenda durch nichts und niemanden behindern lassen, weder durch das Gesetz noch durch die Wahrheit noch durch die Presse.

(RP)
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