Washington Ein Rücktritt nährt die Hoffnungen der US-Demokraten

Washington · Paul Ryan, der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, tritt nicht mehr an. Das Ende seiner Karriere muss das nicht sein.

Es gab eine Zeit, da war Paul Ryan der charismatische Hoffnungsträger der amerikanischen Konservativen. Da wurde er gehandelt als Präsidentschaftskandidat des Jahres 2020, zumindest für den Fall, dass sich Donald Trump im Oval Office blamieren und die Republikanische Partei nach personellen Alternativen Ausschau halten würde. Umso überraschender kommt nun die Nachricht über seinen bevorstehenden Rücktritt.

Auch wenn er zuletzt nur noch selten im Rampenlicht stand, vom medial omnipräsenten Präsidenten wie viele andere auch an den Rand gedrängt - Rückzugsgedanken hatte Ryan in der Öffentlichkeit nicht einmal angedeutet. Gestern aber ließ der Vorsitzende des Repräsentantenhauses seine Parteifreunde im Parlament wissen, dass er beim Kongressvotum im November nicht mehr antreten wird. Er brauche mehr Zeit für seine Familie. Ryans Frau und die drei gemeinsamen Kinder, 16, 15 und 13, leben nach wie vor in Wisconsin. Er wolle nicht, dass die Kids ihren Vater über weite Strecken nur aus der Ferne erleben, sagte er nach einem Bericht der "New York Times" seinen Kollegen.

Der Speaker ist nicht der erste Republikaner, der mit Blick auf die "Midterm Elections" das Handtuch wirft. Mehr als 40 Abgeordnete haben bereits klargemacht, dass sie sich nicht zur Wiederwahl stellen. Allerdings ist keiner dabei, der auch nur annähernd Ryans Bekanntheitsgrad erreicht. Bei den Demokraten schürt es die Hoffnung auf eine Wende, die sie nach achtjähriger Durststrecke wieder die Mehrheit im Kongress erobern lässt.

Zumal manche der Abtretenden kein Hehl aus ihrem wahren Motiv machen: Ein negativer Trump-Effekt, fürchten sie, könnte sie mit in den Strudel reißen. Sollte eine Mehrheit der Amerikaner dem Präsidenten einen Denkzettel verpassen und sie quasi stellvertretend bestrafen, wäre es so oder so das vorläufige Ende ihrer Karriere. Dann lieber einstweilen die Segel streichen, um sie später vielleicht wieder zu setzen.

Ryan ist 48 Jahre alt, jung genug, um 2020 oder auch erst 2024 mit neuem Elan an den Start zu gehen. An Trump hat er sich lange gerieben. 2012 war er als Anwärter auf die Vizepräsidentschaft an der Seite Mitt Romneys ins Rennen gegangen, der später von der Mogelpackung mit dem Etikett Donald Trump sprach. Wie Romney, wie andere Republikaner alter Schule hält Ryan nichts von Zollbarrieren. Dass man dies im Weißen Haus anders sieht, dürfte mit beigetragen haben zu seinem Entschluss. Zudem hat Ryan erreicht, wofür er warb, seit er 1998 erstmals in den Kongress gewählt wurde: massive Steuersenkungen für Unternehmen.

(RP)
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