Ein Staat, der versagt

Nach der Kölner Silvesternacht nun die Hamburger Gipfelnächte. Wieder lässt der Staat die Bürger mit Kriminellen alleine. Wieder berichten verängstigte Menschen von Exzessen und nie da gewesener Gewalt. Erneut fällt der Begriff der "rechtsfreien Räume". Das lädierte Vertrauen in den Rechtsstaat wird weiter erschüttert. Und was passiert danach? Die üblichen Rituale des Verharmlosens und Vertuschens. Wieder stufen politisch Verantwortliche die dramatischen Ereignisse als nicht vorhersehbar ein. Wieder kochen Politiker ihre ideologischen Süppchen, argumentieren strikt aus ihrem Partei-Tunnel heraus und werfen selbstverständlich dem jeweils anderen vor, ideologisch zu argumentieren.

Der weitgehend entpolitisierte Bürger, der sich nach Sicherheit vor seiner Tür sehnt, schaut entgeistert zu. Und wieder einmal wird es kaum strafrechtliche Konsequenzen geben. 37 Haftbefehle. Bei rund 1500 gewalttätigen Linksautonomen. Ist das nachträgliche Deeskalation oder schlicht Unvermögen? Staatsversagen bei der Sicherheit. Was für ein Preis für einen zweifelhaften Gipfel mit minimalen politischen Ergebnissen.

Besonders dreist, wie sich das linke Lager aus der Affäre ziehen will und die abstruse These verbreitet, dass die Gewalttäter mit linken Positionen ja nun gar nichts zu tun hätten. Ach wirklich? Auf den einschlägigen Internetseiten, auf den Flugblättern, auf den T-Shirts ("Fuck the Police") der Schläger konnte jedermann nachlesen, womit sich die Szene identifiziert. Hass gegen die Eliten. Gegen das Kapital. Gegen die "Bonzen". Schon Wochen vor dem Treffen der Mächtigen hatten führende Vertreter der linksextremen Szene angekündigt, den G20-Gipfel zu stürmen. Die ganze Perfidie der linken Ideologie kulminierte in der Aussage eines Anwalts der Roten Flora, der nach den Krawallen im Schanzenviertel erklärte, die Chaoten hätten leider die falschen Viertel angegriffen. Die Verachtung von Eigentum und Rechtsstaat ist die DNA dieser Hooligans. Und zu viele im linken Lager schützen die Gewaltbereitesten unter ihnen. In einem Positionspapier von 2011 solidarisierte sich die Rote Flora mit den "autonomen Kapuzenträgern".

Ist der Staat auf dem linken Auge blind, lautet nun die vielfach gestellte Frage. Und nur weil sie auch im rechtsnationalen Lager erhoben wird, ist sie nicht falsch. Es gibt einen breiten politisch-gesellschaftlichen Konsens, dass links eher die harmlosen Extremisten zu verorten sind. Was für ein Trugschluss!

Dabei ist die Analyse ziemlich einfach. Wenn sich ein islamistischer Attentäter auf Allah beruft, müssen wir über den Islam reden. Wenn Rechtsextremismus grassiert und widerwärtige Angriffe auf Asylheime an der Tagesordnung sind, müssen wir über rechte Hetze reden, auch von denen, die dafür den Boden bereiten wie Pegida und manche AfD-Funktionäre. Wenn nun kapitalismus-kritische Chaoten mit Stahlkugeln, Holzlatten und Pflastersteinen auf Polizisten losgehen und Stadtteile verwüsten, sollen wir nicht über Terror von links reden? Drei Jahre, nachdem die damals zuständige SPD-Ministerin Manuela Schwesig Linksextremismus als "aufgebauschtes Problem" verniedlicht hat, wird es Zeit für einen internationalen Pakt gegen den organisierten Linksterrorismus. Dass sich die Gewalt der Autonomen "nur" gegen Sachen richte, ist spätestens seit Hamburg eine Schimäre. Endgültig widerlegt. Und außerdem: Auch Gewalt gegen Sachen ist nicht tolerierbar.

Es war SPD-Außenminister Sigmar Gabriel, leider nicht die Kanzlerin, der die richtigen Worte fand. Er setzte die Täter mit Neonazis gleich und sprach ungewohnt offen von bürgerkriegsähnlichen Zuständen. So haben es die Anwohner erlebt. Und Gabriel fordert eine schnelle europaweite Fahndung nach den Tätern. Alles richtig! Hoffentlich macht auch Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, der im Vorfeld die Sicherheit der Bürger garantierte, aber offensichtlich die Bürger mit Staatsamt meinte, dann eine bessere Figur.

Die juristische Aufarbeitung der Ereignisse hat also gerade erst begonnen. Die Arbeit an der Wiederherstellung des Vertrauens der Bürger in den Rechtsstaat wird noch viel länger dauern.

(brö)
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