Hessen-CDU im Strudel des Parteispendenskandal Eine Chronologie

Wiesbaden/Hofheim (dpa). Die CDU-Spendenaffäre hat den hessischen Landesverband der Partei voll erfasst. Die Hessen-CDU gab am Freitag die Existenz eines schwarzen Auslandskontos zu, von dem sie jahrelang Millionenbeträge entnommen hatte. Noch immer lägen dort 17 Millionen Mark, räumten der frühere Landesvorsitzende Manfred Kanther und der jetzige Landeschef, Ministerpräsident Roland Koch, in Hofheim/Taunus ein. Sie korrigierten damit die Darstellung, rund 13 Millionen Mark seien der hessischen CDU aus anonymen Vermächtnissen von Verstorbenen aus Liechtenstein zugeflossen. Eine Chronologie des Skandals:

29.11.99: "Der Spiegel" zitiert aus alten Rechenschaftsberichten der Partei: Danach sind die "sonstigen Einnahmen" der Hessen-CDU in den Jahren 1989 und 1991 sprunghaft auf Millionenbeträge angestiegen. Die Union erklärt dies mit Vermächtnissen.

1.12.99: Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet von Reisen des in die Schlagzeilen geratene Frankfurter CDU-Steuerberaters Horst Weyrauch nach Zürich. Dabei habe Weyrauch auch den hessischen Landesverband als Auftraggeber genannt. Ein Parteisprecher sagt, davon sei dem Landesverband nichts bekannt.

6.12.99: Die "Bild"-Zeitung druckt Weyrauchs Aussagen vor der Augsburger Staatsanwaltschaft ab. Darin gibt Weyrauch häufige Reisen in die Schweiz auch im Auftrag der hessischen CDU zu.

8.12.99: Der hessische CDU-Generalsekretär Herbert Müller bestätigt Weyrauchs Angaben. Seine Partei habe 1989 und 1991 Vermächtnisse aus dem Ausland über zusammen sechs Millionen Mark erhalten, zu deren Abwicklung Weyrauch in die Schweiz gereist sei. Die Vermächtnisgeber hätten auf Anonymität bestanden, der Ex-Schatzmeister Casimir Prinz Wittgenstein vermute sie in Kreisen deutschstämmiger jüdischer Emigranten. Es habe keine Zahlungen außerhalb der Buchführung gegeben.

9.12.99: Nach Hinweisen der Grünen teilt die Frankfurter CDU mit, sie habe ebenfalls zwei anonyme Millionen-Erbschaften über Liechtenstein erhalten. 1991 seien ihr 3,5 Millionen Mark zugeflossen, 1996 waren es nach ersten Angaben 3,1 Millionen Mark, später korrigierte die Partei dies auf 3,5 Millionen Mark. Auch in diesen Fällen sei Weyrauch mit der Abwicklung beauftragt gewesen.

15.12.99: Die CDU korrigiert ihre Angaben: Danach gab es nicht vier, sondern nur drei Vermächtnisse. Eines davon über 5,5 Millionen Mark sei 1991 zwischen Landesverband und Frankfurter CDU aufgeteilt worden.

16.12.99: Ministerpräsident Roland Koch (CDU) kann bei einer Debatte im Landtag den Verdacht der Opposition nicht ausräumen, dass hinter den anonymen Vermächtnissen in Wahrheit illegale Spenden oder gar Gegenleistungen für Gefälligkeiten verborgen seien. Die Grünen erstatten Anzeige wegen des Verdachtes der Steuerhinterziehung und Korruption. Koch verspricht für die Zukunft Transparenz.

22.12.99: Der frühere CDU-Schatzmeister Prinz Wittgenstein bestreitet in einem Interview jede Unregelmäßigkeit in der Finanzführung.

28.12.99: Die "Süddeutsche Zeitung" zitiert ein Schreiben des Liechtensteiner Rechtsagenten Hans Gassner vom 17. Dezember, den die CDU als Testamentsvollstrecker eines der Vermächtnisse genannt hatte. Er bestreitet die CDU-Angaben. Die Union kündigt Aufklärung an.

3.1.00: In Wiesbaden wird bekannt, dass Wittgenstein seiner Partei einen 1,5-Millionen-Mark-Kredit gegeben habe, der zunächst nicht im Rechenschaftsbericht auftauchen sollte und bislang auch nicht verzinst wurde. Nach Parteiangaben floss das Geld in den Landtagswahlkampf.

5.1.00: Die CDU korrigiert ihre Angaben erneut: Für alle drei Vermächtnisse sei die Liechtensteiner Kanzlei Oswald Bühler zuständig gewesen. Der Parteirechtler Martin Morlok (Fernuniversität Hagen) erklärt, die Union hätte Vermächtnisse aus dem Ausland gar nicht annehmen dürfen. Die Bundestagsverwaltung will den Vorgang nochmals prüfen.

10.1.00: Die Wiesbadener Staatsanwaltschaft nimmt Vorermittlungen gegen die hessische CDU auf. Nach Angaben eines Sprechers machen die Umstände der "Vermächtnisse" die Ermittler stutzig. Es werde geprüft, ob dabei Steuern hinterzogen worden seien.

13.1.00: Nach einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" verlangt die Bundestagsverwaltung von der hessischen CDU Nachweise über die Echtheit der Vermächtnisse. Andernfalls wolle sie die gesamten 13 Millionen Mark zurückfordern. Gleichzeitig beantragt die SPD im Bundestag, den hessischen Ministerpräsidenten Koch, Ex-Schatzmeister Wittgenstein und andere CDU-Politiker vor den Berliner Untersuchungsausschuss zu laden.

14.1.00: Die CDU korrigiert ihre bisherige Darstellung: Vermächtnisse gab es danach nicht. Zugleich gibt die CDU die Existenz eines schwarzen Auslandskontos zu, von dem jahrelang Millionenbeträge an den hessischen Landesverband transferiert worden sind. Noch immer lägen dort 17 Millionen Mark, räumen der frühere Landesvorsitzende Manfred Kanther und der jetzige Landeschef und Ministerpräsident Roland Koch bei einer Pressekonferenz in Hofheim/Taunus ein. Koch habe von den Vorgängen aber nichts gewusst, versichert Kanther.

15.1.00: Nach dem Skandal wird die Forderung nach einem Rücktritt von CDU-Ministerpräsident Roland Koch und Neuwahlen in Hessen laut.

(RPO Archiv)
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