Kolumne Mit Verlaub! Eitelkeiten rund um Alt-Terroristen

Vor 40 Jahren war die RAF auf dem Gipfel ihrer Mordlust. Manch absurdes Theater in den Medien ist eine Zumutung für die Opfer-Angehörigen.

Mir kommt bei manchen öffentlichen Reminiszenzen an die Mordtaten der linksterroristischen "Rote Armee Fraktion" (RAF) vor 40 Jahren die sprichwörtliche Galle hoch. Der Ärger beginnt bei dem beschönigenden Begriff "Deutscher Herbst". Er hat sich leider eingebürgert für einen mörderischen Erpressungsversuch, mit dem politische Kindsköpfe und Serienkiller 1977 den Staat, sprich die Bundesregierung, in die Knie zwingen wollten. Im Radio gab es dazu neulich eine Vormittagssendung, in welcher der RAF-Terror von damals mit dem islamistischen Terror von heute verglichen werden sollte. Es war erschreckend, wie mittlerweile in die Jahre gekommene Zeitzeugen den Terror von links politisch zu bemänteln und mit Idealisten-Spray versehen wollten. Eine Ärztin erzählte jammernd von allerlei Ungemach, das ihr und ihrem Freundeskreis durch polizeiliche Fahndungsmaßnahmen des extrem herausgeforderten Staates bereitet worden sei. Den RAF-Verbrechern gestand die Hörerin in ihrer verwirrenden Rückschau gar eine gewisse Pfiffigkeit beim Durcheinanderbringen der staatlichen Ordnung zu. Eine sogenannte Gutsituierte im erbärmlichen politisch-intellektuellen Sinkflug.

Ein anderer Hörer schwadronierte darüber, wie sehr dem Staat damals wie heute Bedrohungen durch Terroristen für die Ausweitung der Geheimdienst-Arbeit dienlich seien. Aha, wieder einmal der in bestimmten politischen Zirkeln übliche Griff in die untere Schublade mit der Aufschrift "Der Staat ist der Gefährder, weniger der Kriminelle".

Speiübel konnte einem werden bei dem Terror-Erinnerungs-Gespräch in einem Nachrichtenmagazin mit dem längst wieder in Freiheit lebenden RAF-Mehrfachmörder Peter-Jürgen Boock. Bei dem extrem brutal durchgeführten Kidnapping von Arbeitgeberverbands-Präsident Hanns Martin Schleyer war Boock einer der zwei Schützen, die die Polizeibeamten Reinhold Brändle, Helmut Ulmen, Roland Pieler im Wagen hinter Schleyers Limousine erschossen. Boock spielte sein Verbrechen sprachlich herunter: Die drei Polizisten hätten "ausgeschaltet" und Schleyers ebenfalls exekutierter Fahrer Heinz Marcisz "neutralisiert" werden sollen. Die Vier seien eben auch Kriegsgegner gewesen.

Zu fragen ist: Warum bekommt ein vielleicht reuiger Mensch, der lebenslang in Sack und Asche gehen sollte, anstatt sich auf der Eitelkeits-Kirmes zu verhökern, die Gelegenheit, seine damaligen Abgründe an Verkommenheit als Kriegsspiel "Wir gegen die" darzustellen? Besonders den Hinterbliebenen der Ermordeten ist diese Form von Öffentlichkeitsarbeit unzumutbar.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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