Düsseldorf Empörung über Pilotenstreik
Düsseldorf · Der Ausstand der Lufthansa-Piloten stößt bei Parteien und Verbänden auf massive Kritik. SPD und CDU wollen Mini-Gewerkschaften zügeln. Der Streik kostet die Lufthansa pro Tag 20 Millionen Euro.
Mit dem Streik von rund 5400 Flugkapitänen haben die Piloten den Flugbetrieb der Lufthansa gestern weitgehend lahmgelegt. Am ersten Tag des dreitägigen Ausstands hat sich jetzt auch in der Politik eine breite Ablehnung gegen den Pilotenstreik formiert. Vertreter der Berliner Regierungsparteien sind sich darin einig, dass der Arbeitskampf weit über das Ziel hinausgehe. "Die Entscheidung weniger Betroffener für einen Streik kann sehr weitreichende Schäden verursachen", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Arnold Vaatz (CDU). Diese Situation sei nicht hinnehmbar. Er forderte, dass möglichst rasch ein Gesetz zur Tarifeinheit auf den Weg gebracht werde. Schließlich gehe es auch um das Gemeinwohl. Der CDU-Abgeordnete Michael Fuchs ergänzte, er habe wenig Verständnis für Streiks von Leuten, die in einigen Fällen so viel wie die Kanzlerin verdienten. Tarifeinheit bedeutet bislang, dass in einem Arbeitsverhältnis oder einem Betrieb immer nur ein Tarifvertrag gilt.
Auch die SPD attackierte die Lufthansa-Piloten. Klaus Barthel, Chef des Arbeitnehmerflügels, kritisierte, dass kleine Gewerkschaften ihre Interessen auf Kosten der Allgemeinheit verträten. Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, nannte den Ausstand verantwortungslos. "Dieser Streik erscheint mir unverhältnismäßig, weil die Piloten das ganze Land drei Tage lang in Geiselhaft nehmen", so der Liberale. Auch von Verbänden kam Kritik. Handwerks-Präsident Hans Peter Wollseifer sagte: "Die Piloten machen Arbeitskampf auf dem Rücken der Betriebe. Klar ist, dass der gesamten Wirtschaft, vom Handwerk bis zur Industrie, durch den Streik ein Schaden in Höhe von mehreren Millionen Euro entsteht." Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer kritisierte, die Forderungen der Piloten passten nicht in die Zeit — der demografische Wandel erfordere auch im Luftverkehr ein längeres Arbeitsleben.
Die Lufthansa-Piloten verdienen nach Konzernangaben zwischen 73 000 und 255 000 Euro. Damit liegen die Gehälter beim ehemaligen Staatskonzern deutlich über dem Durchschnittsniveau der wichtigsten Wettbewerber Air France-KLM, Turkish Airlines und British Airways. Auch arabische Wettbewerber wie Emirates und Qatar Airways sowie die fernöstlichen Anbieter Ca-thay und Singapore zahlen ihren Piloten deutlich weniger. "Da die Lufthansa mit all diesen Gesellschaften in einem direkten Wettbewerb steht, ist die außergewöhnlich hohe Gehaltsstruktur für sie ein klarer Wettbewerbsnachteil", sagte der Lufthansa-Analyst der Commerzbank, Frank Skodzik. Er schätzt den Schaden pro Streiktag auf 20 Millionen Euro. 2013 hat die Lufthansa trotz massiver Sparbemühungen im operativen Geschäft nur 697 Millionen Euro verdient.
Die Lufthansa forderte die Regierung nach der Serie von Streiks bei Bahn, Flughäfen und Fluggesellschaften jetzt zu einer gesetzlichen Intervention auf. "Die Politik muss die deutsche Infrastruktur besser vor Streiks schützen", sagte eine Lufthansa-Sprecherin. NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider betonte, Tarifverhandlungen seien Sache der Tarifparteien. "Ich gehe aber davon aus, dass die bei der Lufthansa korrekt und verantwortungsvoll verhandeln", sagte der SPD-Politiker. "Jede Störung von Mobilität tut weh, aber auch das gehört manchmal zu tariflichen Auseinandersetzungen." Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) erklärte, die Tarifautonomie sei ein hohes Gut. Die Auseinandersetzung zeige, wie wichtig die Herstellung der Tarifeinheit sei. Das Prinzip "ein Arbeitgeber — ein Tarifvertrag" müsse Normalfall werden.
Die Lufthansa und die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit rechnen nicht mit einer schnellen Einigung. Die Piloten verlangen zehn Prozent mehr Lohn und die Beibehaltung der bisherigen Übergangsversorgung für Kapitäne, die vor dem Rentenalter ausscheiden wollen.