Brüssel Erbitterter Machtkampf um Vorsitz der Eurogruppe

Brüssel · Schuldenkrise, Grexit, Deflationsangst - die Eurogruppe kann sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen. Trotzdem ist unter den Finanzministern der Eurozone ein erbitterter Machtkampf um den künftigen Vorsitz ausgebrochen. Es geht um Eitelkeiten und nationalen Stolz. Denn der Eurogruppen-Chef ist einer der vier europäischen Präsidenten - neben den Chefs von Kommission, Parlament und Rat.

Im Ring sind derzeit zwei Bewerber: der Spanier Luis de Guindos (55), der konservative Wirtschaftsminister, und Amtsinhaber Jeroen Dijsselbloem (49), der sozialistische Finanzminister der Niederlande. De Guindos hat seine Bewerbung bereits eingereicht und fühlt sich bestens unterstützt - durch die beiden Deutschen Angela Merkel und Wolfgang Schäuble. Sein Regierungschef Mariano Rajoy hat schon frühzeitig darauf gedrängt, dass die reformwilligen Spanier mit einem der Top-Jobs in der EU belohnt werden. Merkel hat dem zugestimmt.

Jetzt sieht es aber so aus, als ob de Guindos keine Mehrheit in der Eurogruppe besitzt. Denn die Finanzminister der Eurozone sähen auf diesem Posten lieber den Niederländer für eine zweite Amtszeit. Dijsselbloem hat sich zwar während der Kür des EU-Kommissionspräsidenten und im Athener Schuldendrama einige Ungeschicklichkeiten erlaubt. Er bietet aber vor allem für die osteuropäischen Länder die Gewähr, dass Griechenland nicht zu billig bei den Reformen davonkommt. Auch bei ökonomisch gesunden Ländern wie Finnland, Luxemburg oder Österreich kommt der Niederländer gut an.

Um erst einmal Zeit zu gewinnen, hat Dijsselbloem seine Kollegen veranlasst, die jetzt fällige Neuwahl auf den 13. Juli zu verschieben. Das müsse reichen, denn erst am 21. Juli laufe das Mandat des Niederländers aus, berichteten Diplomaten in Brüssel. Auch eine nachvollziehbare Begründung hat Dijsselbloem geliefert - über seinem Lieblingsnachrichtendienst Twitter. "Griechenland erfordert alle Aufmerksamkeit", so der niederländische Finanzminister. "Die Wahl sollte nicht zu einer Verfahrensdebatte führen."

De Guindos hat unterdessen seinen Machtanspruch kräftig untermauert. Er will nach der spanischen Wahl - unabhängig vom Ergebnis - seinen Posten in Madrid aufgeben, um sich nur auf die Arbeit des Eurogruppenchefs zu konzentrieren. Er wäre damit der erste Euro-Finanzminister. Das ist ein Posten, der seit 2011 rechtlich möglich ist. Damals wollten die Staats- und Regierungschefs - allen voran die Kanzlerin - die Eurogruppe stärken. Doch nun möchte Merkel eine solch starke Position eher verhindern. Sie stützt zwar de Guindos formal, jedoch nur als nebenamtlichen Chef der Eurogruppe. Gut möglich, dass sich der Spanier ins Abseits manövriert hat, und Merkel am Ende dem Niederländer den Vorzug gibt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort