Ankara Erdogan verlängert U-Haft auf sieben Jahre

Ankara · Der türkische Präsident hat seine Gangart nochmals verschärft. Auch Deutsche sind davon betroffen.

Schon bisher mussten Untersuchungshäftlinge in der Türkei damit rechnen, bis zu fünf Jahre ohne Anklage und ohne Urteil in Gefangenschaft zu verbringen. Jetzt hat Staatschef Recep Tayyip Erdogan diese Frist noch einmal ausgedehnt. Mit einem am Wochenende in Kraft getretenen Dekret verlängert Erdogan die maximale Dauer der U-Haft auf sieben Jahre.

Damit verschärft der türkische Staatschef die Gangart gegenüber seinen Gegnern. Betroffen sind auch deutsche Untersuchungshäftlinge wie der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel, die deutsche Journalistin Mesale Tolu Corlu und der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner. Die verlängerte Untersuchungshaft gilt unter anderem für Beschuldigte, denen die Unterstützung von Terrorgruppen oder Spionage vorgeworfen werden. Sie müssen damit womöglich viele Jahre in türkischen Gefängnissen verbringen, ohne sich überhaupt in einem Strafverfahren verteidigen zu können.

Mit der Verlängerung der Untersuchungshaft öffnet Erdogan allerdings zugleich eine Hintertür für einen Austausch der deutschen Häftlinge. Mit dem ebenfalls am Wochenende in Kraft getretenen Dekret Nr. 694 ermächtigt sich Erdogan, ausländische Gefangene in deren Heimatländer abzuschieben oder auszutauschen. Bereits in den vergangenen Wochen hatte Erdogan mehrfach einen Zusammenhang zwischen der Inhaftierung der Deutschen und Putsch- oder Terrorverdächtigen angedeutet, die sich in Deutschland aufhalten sollen. So klagte Erdogan erst kürzlich, Bundeskanzlerin Angela Merkel verlange von ihm zwar die Freilassung deutscher "Spione" und "Terroristen", weigere sich aber, mit Haftbefehl gesuchte Türken auszuliefern. Dabei handelt es sich nach türkischer Darstellung um Mitglieder der kurdischen Terrororganisation PKK und linksextremistischer Gruppen sowie um mutmaßliche Anhänger des Geistlichen Fethullah Gülen, den Erdogan als Drahtzieher des Umsturzversuchs beschuldigt. Gülen bestreitet die Vorwürfe. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel wirft Erdogan vor, er halte die Deutschen als "Geiseln" fest, um Druck auf Berlin zu machen. Ein Gefangenenaustausch, wie Erdogan ihn mit dem jüngsten Dekret ins Spiel zu bringen scheint, wäre rechtlich und politisch problematisch. Seit dem Putschversuch haben etwa 250 türkische Diplomaten und Soldaten mit ihren Familien in Deutschland Asyl beantragt, weil sie in ihrer Heimat politische Verfolgung und Folter fürchten. Nach dem Völkerrecht dürfen Asylbewerber nicht ausgeliefert werden.

Von der verlängerten Untersuchungshaft könnten zehntausende Gefangene betroffen sein. Im Zusammenhang mit dem Putschversuch sitzen 50.000 Menschen in Untersuchungshaft. Gegen die meisten gibt es bisher nicht einmal Anklagen.

(RP)
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