Ferguson Erneut Schüsse in Ferguson

Ferguson · Die Gedenkveranstaltung für den vor einem Jahr getöteten Michael Brown versinkt im Chaos.

Das Video, das Tony Rice ins Internet gestellt hat, zeigt einen jungen Mann, der reglos auf dem Straßenasphalt liegt, rote Hose, weiße Turnschuhe, die Hände auf dem Rücken gefesselt, die nächtliche Szene von Polizeischeinwerfern erhellt. Er blutet so stark, dass Rice, ein schwarzer Aktivist aus Ferguson, die umstehenden Ordnungshüter mit einer Stimme, die von Satz zu Satz immer verzweifelter klingt, um Hilfe anfleht: "Hey, er blutet. So helfen Sie ihm doch, Mann. Bitte helfen Sie ihm. Er verblutet, Mann. Sie sehen es doch."

Vorausgegangen war ein Tag friedlicher Demonstrationen, um Michael Browns zu gedenken, des vor zwölf Monaten von dem Streifenpolizisten Darren Wilson erschossenen schwarzen Teenagers. Die meisten waren längst nach Hause gegangen, als an der West Florissant Avenue Schüsse fielen, am Rande jener vierspurigen Magistrale, in deren Nähe Brown starb. Nach Angaben Jon Belmars, des Polizeichefs von St. Louis, sollen sich rivalisierende Banden vor den Läden der Straße ein Feuergefecht geliefert haben. Vier Beamte in Zivil sollen die Verfolgung eines Fliehenden aufgenommen haben, erst in einem Geländewagen, dann zu Fuß. Nach Belmars Darstellung erwiderten sie das Feuer, als er auf sie schoss.

In kritischem Zustand wurde der Verwundete ins nächste Krankenhaus eingeliefert, und nachdem ihn Familienangehörige identifiziert hatten, durfte auch sein Name veröffentlicht werden: Tyrone Harris junior. Sein achtzehnjähriger Sohn, so der Vater, Tyrone Harris senior, sei mit Michael Brown eng befreundet gewesen. Was die Polizisten über den Tathergang zu Protokoll geben, kommentierte er mit einem skeptischen Satz. "Ich glaube, es war alles ein bisschen anders, als es jetzt dargestellt wird."

Noch kann niemand einschätzen, was die Schüsse auslösen, ob ihnen eine Welle heftiger Randale folgt, wie es nach Browns Tod der Fall gewesen war. Robert O. White, Pfarrer der Peace of Mind Church of Happiness, einer kleinen Kirche in Ferguson, redet tapfer gegen ein solches Szenario der Eskalation: "Wir lassen nicht zu, dass 20 Minuten der Gewalt alles kassieren, was 365 Tage lang an harter Arbeit geleistet wurde", sagt der Geistliche bei CNN. Ferguson befinde sich auf dem richtigen Weg, die Zeichen des Wandels seien unübersehbar, man werde verhindern, dass eine winzige Minderheit dies alles rückgängig mache.

(RP)
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