Ioannis Mouzalas "Es kommen immer mehr Migranten aus Nordafrika"

Griechenlands Migrationsminister mahnt im Gespräch mit unserer Redaktion, den Schleusern an der türkischen Küste das Handwerk zu legen.

Was sagen Sie zu der Forderung, Griechenlands Nordgrenze müsse für Flüchtlinge abgeriegelt werden?

Mouzalas Grenzschließungen bedeuten, dass Europa keine gemeinsame Politik hat. Europa aber muss gemeinsam auf diese Herausforderung reagieren.

Was würde das für Griechenland bedeuten?

Mouzalas Die Flüchtlingsströme beginnen nicht bei uns. Wir sind der Beginn des Korridors, die Tür zu diesem Korridor ist in der Türkei. Wenn die anderen Länder ihre Grenzen schließen, würden Hunderttausende Flüchtlinge und Migranten in Griechenland festsitzen.

Wie entwickelt sich denn aktuell der Strom der Ankömmlinge?

Mouzalas Wenn nur 3000 am Tag kommen, freuen wir uns. Im Durchschnitt sind es 4000 - trotz Kälte und Sturm. Die ständigen Ankündigungen von Grenzschließungen arbeiten den Schleusern in die Hände. Sie drängen die Flüchtlinge, noch schnell die Überfahrt zu wagen.

Wo kommen die Menschen her?

Mouzalas Früher waren 75 Prozent der Ankömmlinge Bürgerkriegsflüchtlinge. Jetzt kommen immer mehr Migranten aus Nordafrika, vor allem aus Marokko, Tunesien und Algerien. Sie stellen an vielen Tagen die Hälfte der Ankömmlinge.

Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Griechenland sichere seine Außengrenzen nicht?

Mouzalas Unsere Landgrenzen sind hervorragend gesichert. Dort kommt fast niemand illegal rüber.

Und in der Ägäis?

Mouzalas Ich habe neulich die Botschafter der EU-Staaten nach Lesbos eingeladen, und dann sind wir mit einem Schiff unserer Küstenwache bis an die türkischen Hoheitsgewässer gefahren. Dort haben wir gemeinsam gesehen, wie die Flüchtlingsboote ankommen. Ich habe die Botschafter dann gefragt: "Sagen Sie mir bitte, wie wir diese Grenze sichern sollen". Ich glaube, sie haben das Problem verstanden.

Welche Lösung sehen Sie?

Mouzalas Die einzige Lösung ist, den Schleusern an der türkischen Küste das Handwerk zu legen. Wenn Flüchtlinge einmal auf dem Meer sind, gibt es ethisch, rechtlich und politisch keine andere Option, als sie zu retten.

Welche Rolle spielt Deutschland?

Mouzalas Deutschland hat in dieser Krise Europa zusammengehalten und dazu beigetragen, dass dieses Europa nicht ins Mittelalter zurückgefallen ist. Es verdient große Anerkennung, dass Deutschland fast 90 Prozent aller Flüchtlinge aufgenommen hat. Das führt natürlich zu politischen und gesellschaftlichen Spannungen. Aber ich hoffe und wünsche mir, dass sie im europäischen Geist und unter Achtung der Menschenrechte gelöst werden.

GERD HÖHLER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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