Joachim Gauck "Es wird eine diplomatische Lösung in der Ukraine geben"

Berlin · Bundespräsident Joachim Gauck geht im Interview mit unserer Redaktion kritisch mit dem Verhalten des Kremls in der Ukraine-Krise ins Gericht.

Das Interview mit Joachim Gauck im Schloss Bellevue
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Bundespräsident Joachim Gauck ist davon überzeugt, dass es in der Ukraine-Krise eine diplomatische Lösung geben wird. "Ja, das wird es", sagte Gauck auf eine entsprechende Frage. Er hob die positive Rolle der deutschen Regierung bei der Vermittlung in diesem Konflikt hervor. Deutschland sei durch seine politische und ökonomische Stabilität eine Position zugewachsen, auf die viele Länder in der Welt schauten.

"Ich wünsche mir, dass wir diese Position mit der inneren Haltung verbinden, uns noch stärker auch für die Lösung von Konflikten außerhalb unserer Grenzen verantwortlich zu fühlen - so, wie es derzeit die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister im Falle der Ukraine tun", sagte der Präsident im Interview mit unserer Redaktion.

Gauck glaubt nicht an eine kriegerische Bedrohung

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Foto: afp, ss/sd

Die Ukraine-Krise hält ganz Europa seit Februar in Atem. Im März hat sich Russland die Krim einverleibt. Seitdem gibt es kriegerische Auseinandersetzungen in der Ost-Ukraine zwischen ukrainischen und prorussischen Kräften. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ trotz aller Kritik am russischen Präsidenten Wladimir Putin die Gesprächsfäden nie abreißen. Erst am gestrigen Donnerstag sorgte eine angebliche Äußerung Putins für Wirbel. Er solle drohend den Einmarsch in östliche EU-Länder erwähnt haben, berichteten verschiedene Medien. Vom Kreml wurden diese Wort als "gewöhnliche Ente" dementiert.

Bundespräsident Gauck erklärte grundsätzlich, er glaube nicht, dass von der Ukraine-Krise "eine kriegerische Bedrohung für Mitteleuropa" ausgehe. Er wolle aber nicht seine Sorge verhehlen vor dem, was dort gerade passiere, betonte Gauck. "Dass im Osten Europas, in unmittelbarer Nachbarschaft zur EU, ein lange Jahre akzeptierter Respekt vor Völkerrecht plötzlich durch Russland in Frage gestellt wird. Und dass es scheint, als gelte das Recht des Stärkeren und nicht die Stärke des Rechts." Beides sei eine große Herausforderung für alle demokratischen Länder.

Gauck geht es um die Menschen

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Foto: dpa, jai kde

Gauck hatte zuletzt Russland und den russischen Präsidenten mit deutlichen Worten in einer Rede in Polen zum Gedenken an den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kritisiert. In unserem Interview verdeutlichte der Präsident seine Haltung: "Mir geht es bei meiner Kritik nicht um das Land Russland, das ich mit seiner Kultur und seinen Menschen schätze. Mir geht es um die Missachtung von Bürgerrechten, von Menschenrechten und um den Bruch des Völkerrechts", sagte Gauck. Wenn er nach Russland blicke, dann sehe er nicht nur die Regierung, sondern auch die Regierten. "Ihr Schicksal ist der Grund für meine Kritik am Kreml."

Die deutsche Öffentlichkeit ist in der Frage, ob Putin möglicherweise einen nachvollziehbaren Grund haben könnte, auf die Krim und in die Ost-Ukraine vorzudringen, gespalten. Oft wird auch das Argument vorgetragen, dass der Westen Fehler gemacht habe und Russland nicht ausreichend einbezogen habe. Bundespräsident Gauck sieht dies grundlegend anders: "Ich sehe solche Fehler auf westlicher Seite nicht. Die NATO und die EU waren nach der deutschen Wiedervereinigung an Russland mit Vertrags- und Bündnisangeboten herangetreten", betonte er.

Gegen die Russland-Versteher

Der Bundespräsident wies die Argumente derjenigen die Verständnis für Putin zeigen, deutlich zurück. Er könne die Auffassung mancher Beobachter und Kommentatoren nicht nachvollziehen, dass man es Russland nicht zumuten könne, wenn in seinem Umfeld andere Völker eigene Politik-Entscheidungen träfen. "Als Teil der ostdeutschen Demokratiebewegung hätte ich mich auch niemals mit dem Gedanken zufrieden gegeben, dass eine Demokratisierung Ostdeutschlands und Polens Moskau nicht zumutbar sei", sagte Gauck.

Das Selbstbestimmungsrecht der Völker habe Vorrang. Gauck bezog klar für eine selbstbestimmte Ukraine Stellung: "Ich kann nicht nachvollziehen, dass wir in vorauseilendem Gehorsam die Empfindsamkeiten Russlands ernster nehmen sollten als das Selbstbestimmungsrecht der ukrainischen Bevölkerung."

Grundsätzlich mahnte Gauck, Deutschland solle das Vertrauen, das es in der Welt hat, nutzen, um früh zu erkennen, "wo wir politisch und diplomatisch dazu beitragen können, dass keine Konflikte entstehen, die sich zu Kriegen ausweiten könnten".

(brö / qua)
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