Analyse Angriff auf Googles Geschäftsmodell

Brüssel · Die EU wirft Google vor, seine Marktmacht als Suchmaschine und bei Betriebssystemen für Smartphones unfair auszunutzen. Verbraucherschützer begrüßen das Verfahren. Es gibt Parallelen zum "Fall Microsoft".

EU: Angriff auf Googles Geschäftsmodell
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Die Europäische Union verschärft ihre Gangart gegenüber dem mit Abstand mächtigsten Internetkonzern der Welt, Google. Sie hat gestern ein formales Prüfverfahren begonnen, ob das US-Unternehmen seine Übermacht als Google-Suchmaschine und als Lieferant des mit Abstand wichtigsten Betriebssystems für Smartphones "Android" ausnutzt, um in eine Reihe anderer Bereiche vorzudrängen und Wettbewerber zu benachteiligen. "In Europa kann man dominant sein - aber man darf seine dominierende Marktposition nicht missbrauchen", erklärte EU-Kommissarin Margrethe Vestager gestern in Brüssel. "Es ist richtig, dass die EU sich die Praktiken von Google genau anschaut", sagte Justus Haucap, Chef des Instituts für Wettbewerbsökonomie an der Universität Düsseldorf und früher Leiter der Monopolkommission, unserer Redaktion. "Niemand darf ein Unternehmen daran hindern, in einem Bereich dank Innovationen sehr stark zu sein. Aber eine führende Position in einem Gebiet darf nicht genutzt werden, um das nächste Geschäft unfair auszubauen."

Der Trick Die Art und Weise, wie Google die Anbieter von Smartphones gängelt, ist durchdacht. Google zwingt zwar kein Handyunternehmen der Welt, die Suchmaschine Google oder ein anderes Angebot von Google zu installieren, wenn es das von Google entwickelte Betriebssystem "Android" nutzt. Allerdings müssen Unternehmen, die die App von Google als Suchmaschine installieren wollen, gleich zehn weitere Google-Apps mitinstallieren, die dann die nicht löschbare Grundausrüstung des Gerätes sind: Das sind beispielsweise der Browser Chrome, der Speicherdienst Google-Drive, Google-Mail sowie das Kartensystem Google-Maps. Der Konzern erklärt dieses Bündelangebot damit, dass nur so ein optimaler Kundennutzen möglich sei. Die Wettbewerbsbehörde vermutet dagegen unfaires Abdrängen von Wettbewerbern. Denn "Android" macht weltweit einen Marktanteil von 80 Prozent aller Smartphones aus. Und weil wiederum Google als Suchmaschine mehr als 80 Prozent Marktanteil hat, kommen am Kombipaket der Google-Apps neben Apple mit seinem eigenen Betriebssystem iOS nur wenige Smartphone-Anbieter vorbei. Das sind beispielsweise Amazon bei einem Smartphone mit eigenen Inhalten sowie chinesische Konzerne im Inlandsmarkt. "Gegenüber dieser Google-Vorgabe ist wichtig, dass die Handyhersteller frei entscheiden dürfen, welche Apps in welcher Kombination sie vorinstallieren", sagt dazu Klaus Müller, Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. "Wir brauchen im Interesse der Verbraucher auch bei Apps absolut freien Wettbewerb um Innovationen."

Vorbildfall Die EU erklärt, dass sich das neue Verfahren teilweise daran orientiert, wie sie bis 2013 gegen Microsoft vorging. Mit Geldstrafen von mehr als zwei Milliarden Euro wurde der weltweit führende Softwarekonzern davon abgebracht, die fast 99-prozentige Dominanz seines PC-Betriebssystems Windows zu nutzen, um den hauseigenen Browser Windows Explorer sowie den Media-Player zu verbreiten. Das Ergebnis: Nachdem Microsoft die Nebenprodukte nicht mehr bevorzugen durfte, verloren diese weitgehend an Bedeutung. Und insgesamt hat es Microsoft nicht geschafft, die Dominanz im PC-Geschäft in einen anderen Bereich zu übertragen. "In der digitalen Welt kann ein Monopol schnell ein anderes Monopol ersetzen", sagt Wettbewerbsexperte Haucap, "so haben wir im Smartphone-Markt ja ganz andere führende Anbieter als bei Software."

Das Verfahren Vor der Entscheidung über ein Bußgeld kann Google sich nun ausführlich äußern. Die Untersuchung zu "Android" ist dabei Teil eines größeren EU-Verfahrens gegen Google. Die Kommission weitete das Verfahren auch auf die neu gegründete übergeordnete Konzernholding "Alphabet" aus, deren Teil Google seit vergangenem Jahr ist. Falls die europäischen Wettbewerbshüter ihre Vorwürfe beweisen können und eine förmliche Entscheidung treffen, droht dem Unternehmen ein Bußgeld von bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes. Dieser Rahmen wird aber üblicherweise nicht ausgeschöpft. Google erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 66 Milliarden Euro - also wäre ein Bußgeld von fast sieben Milliarden Euro möglich.

Europas Abwehrschlacht Die neue Attacke gegen Google ist Teil der Verteidigungsschlacht von Europa gegen eine weitere Dominanz der US-Internetkonzerne. So ermittelt das Bundeskartellamt, ob es Facebook ein hohes Bußgeld auferlegen soll, weil das soziale Netzwerk sich nicht an den deutschen Datenschutz hält. Die Argumentation lautet: Es sei ein Missbrauch von Monopolmacht, wenn die Kunden in den Geschäftsbedingungen gezwungen werden, einer fast uneingeschränkten Nutzung ihrer Daten zuzustimmen, weil es ja keinen ernsthaften Wettbewerber von Facebook mehr gibt.

Gegenüber Google wird von der EU gleichzeitig geprüft, ob das Unternehmen als Suchmaschine eigene Angebote bevorzugt in der Ergebnisliste zeigt - hier ist aber der Beweis von Manipulation nicht einfach. So sehen sich Microsoft und einige Preissuchmaschinen benachteiligt - das Verfahren läuft schon sechs Jahre. Auch bei der nächsten Auseinandersetzung zwischen Europa und den USA werden die Kartellbehörden eine Rolle spielen: Europas Unternehmen befürchten, dass Google die Rolle als führender Internetkonzern nutzt, um ein Betriebssystem für selbstfahrende Autos durchzusetzen. Die Kontrolle über die Software hätte dann Google. VW, BMW und Mercedes wären faktisch nur noch Lieferanten.

(RP)
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